Am Neusiedler See hat die Gemeinde Podersdorf ein mustergültiges Wassersportzentrum geschaffen. Die Kiter haben hier die Wahl unter drei professionellen Schulen.

Gerangel am Wiener Meer

Es ist zwar nur eine Pusztapfütze. Aber sie erstreckt sich über 35 km Länge, und um die Taille ist sie rund 8 km breit. Das aber ist noch lange kein Grund, den Neusiedler See nicht zum Politikum zu machen. Um die Herrschaft übers Wiener Meer streiten sich Lokalpolitiker, Umweltschützer, Gewerbetreibende und Ministerien so heftig wie über Mozarts Vermächtnis. Jetzt jubeln mal wieder die Wassersportler. Klaus Schweighofer, die Kite-Institution in Österreich, freut sich: „In Podersdorf sind Wassersportler wieder herzlich willkommen.“ Denn: „Der ehemalige Nordhafen wurde nach Süden zum Campingplatz verlegt, der Trockenliegeplatz für Katamarane wanderte vom Nord-Nord-Strand an den Süd-Süd-Strand. Der Kitestrand wurde durch die Umbaumaßnahmen nun mehr als verdoppelt.

Die Kitezone wurde verdoppelt

Die Start- und Landezone ist nun wesentlich größer und viel sicherer geworden. Die Kiteschulen kite2fly und kitesurfing.at haben vollständig neue Kitestationen gebaut und ihre Serviceleistungen deutlich erhöht.“ Allein kitesurfing.at, der Platzhirsch unter den Strippen-Schulen, hat 240.000 Euro für das neue Domizil in die Hand genommen. Gleich drei Notausstiege gibt jetzt für havarierte, verblasene oder entkräftete Kiter:

– bei Timeas Platzl am Nordstrand
– am Südstrand bei der Mission to surf (Hillinger Strand)
– am Campingplatz (Kitezone links von der Schilfinsel)

Das Gelände ist nun wesentlich größer geworden, statt Ghetto-Zaun jetzt Welcome-Atmo, statt Stress an der Kite-Bar herrscht nun Wellness an der Strand-Bar. Dank des großen Geländes kommen die Kiter mit Anhang nicht nur an Tagen mit Windversprechen, auch an Flautentagen herrscht nun Betrieb.

Foto: Martin Reiter

Windbedingungen

Flautentage? Der Pusztasee gilt doch als das Tarifa des Nordens. Dieses Vertrauen in den Steppenwind hängt mit den Fronten zusammen, die über die ungarische Tiefebene fegen. Da reden wir zuerst einmal über den Nordwestwind mit seinem Föhneffekt. Die Nordfronten bleiben im Nordwesten am Semmering hängen und verwandeln sich hoffentlich in einen Nordföhn, wie er gerne auch am Gardasee bei schlechtem Wetter auf der Alpennordseite entsteht. Schweighofer: „Am ersten Tag kannst du bei solchen Wetterlagen mit vier bis sechs Beaufort rechnen, am zweiten Tag mit sieben, am dritten schwächelt der Wind um die fünf.“

An Hochfesten des Föhns steht der heiße Atem aus dem Norden auch noch einen vierten und fünften Tag durch. In der Steiermark hat’s dann acht Grad, am Neusiedler See heizen 20 Grad die Oechsle-Produktion in den Weintrauben an. Die Luft ist klar wie eine frisch geputzte Scheibe. Und alle sind ein bisschen aufgekratzt – die Kiter sowieso. Diese Wetterlage gibt es vor allem im April, Mai und Juni. Auch im September und Oktober drücken die Herbstfronten wieder gegen die nördliche Barriere. Dann kann es schon mal vorkommen, dass auf den Campingplätzen die Zelte wackeln wie Heurigen-Besucher. Der Südostwind dagegen profitiert von stabilen Hochdrucklagen über Osteuropa und freut Kiter wie Badegäste: Überm See wölbt sich blauer Himmel. Wenn’s mittags in den Ästen raschelt, darf sich die Kitergemeinde auf Sessions bis in den Abend einstellen. Aus welcher Richtung der Wind kommt, macht am Neusiedler See den Unterschied. Fegt er nämlich aus dem Osten heran, dann hat Podersdorf ein kleines Problem. Erstens weht der Ostwind ablandig.

Surf Games vereinen Kiter und Windsurfer

Podersdorfs Ruf weit über Österreich hinaus hat die Gemeinde nicht dem Wind, sondern neuderdings auch den Surf Games zu verdanken. Diese Public Gaudi vereint Kiter und Windsurfer auf einmalige Weise. Unter den Augen von 70.000 Zuschauern tobten sich Semi-Pros und Freizeit-Gleiter in Freestyle und Park Wettbewerben aus. Startgeld wurde nicht verlangt. Wer‘s versäumt hat, könnte sich beim Kürbis-Festival im September darüber hinwegtrösten.
Am See gilt eine 200-m-100-Euro-Zone. Wer in diesem Uferbereich auf dem Board erwischt wird, darf eine Zwangsspende an die öffentlich rechtlichen Wasserwächter zahlen – angeblich besagte 100 Euro. Die Zahlzone muss man per Bodydrag durchpflügen. Immerhin keine Mutprobe für Kiter mit Tiefenphobie: Der See ist rund einen Meter tief, je nach Windstärke und Verdunstungsintensität. Zu Fuß geht der ambulante Kiter am Ostufer übrigens auf schönem Sand, während man am Westufer meist schwarze Strümpfe bekommt: Hier ist der Untergrund schmierigmoorig.

Breitenbrunn und Föterakos

Breitenbrunn am Westufer hat aber noch ein paar andere Feinheiten, die das Kitesurfen schwierig machen. Bäume erschweren den Start besonders bei auflandigem Wind. Das hält viele Kiter aber nicht davon ab, diesen Könner-Spot (Level 5 muss man hier haben) anzusteuern. Der dritte öffentliche Spot am See liegt schon jenseits der rotweißroten Grenzpfähle. Föterakos hat noch eine kleine nervliche Steigerung zu bieten: Man läuft mit dem Kite im Zenit über einen Steg und springt dann ins Wasser. Kleine Wasserkanäle mit „geschliffener“ Oberfläche bieten hier völlig neue Kiteerfahrungen. Die kann man sich dann zusammen mit ungarischen Spezialitäten auf der Zunge zergehen lassen.

Gut zu wissen

Eintrittskosten: Der Eintritt für den gesamten Strandabschnitt beträgt für Badegäste, Windsurfer und Kiter 5,80 Euro pro Tag und 4,40 Euro ab 14 Uhr (Kinder bis 15 2.20/1.20 Euro) Das Schöne daran: Es gibt keine Extragebühren mehr für Kiter und Windsurfer. Die Sieben-Tage-Karte gibt‘s für 35 Euro.

Kiteschulen und Equipment-Verleih: www.kitesurfing.at bietet drei verschiedene Einsteigerkurse von 249 bis 399 Euro. Außerdem gibt‘s Storage-Boxen, Taxitransporte mit dem Boot für Downwinder und eine sehr hübsche Bar. Eine pfiffige Idee ist die Flatrate für Leih-Kiter: Sie können für die gesamte Saison Material (bis 12 qm) leihen und bekommen am Saisonende ein Board mit Bar als Eigentum in die Hand gedrückt. Preis: 1.350 Euro.
kite2fly punktet ebenfalls mit einer sehr schicken Kitestation. Auch diese Schule bietet differenzierte Einsteigerkurse von 249 Euro bis 399 Euro (die Preise ähnlich zufällig denen von kitesurfing.at). Kite2fly bietet natürlichf auch Foil-Unterricht an Einzelunterricht ab 119 Euro.
Die dritte Station in Podersdorf ist kiteriders.at. Hier ist der Einsteigerkurs doch tatsächlich um 10 Euro billiger. Auch die hier gibt es eine tolle Station und das ganze Programm einer professionellen Schule.

Unterkunft: Zimmer in den umliegenden Frühstückspensionen gibt es schon ab 25 Euro.

Restaurant-Tipps: Sehr empfehlenswer sind der Schweinsbraten beim Seewirt Karner, das Schnitzel im Georgshof und die Pizza bei Johnnys Weinhandel.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Sportbericht ist in unserer Ausgabe 03/18 (Juni 2018) erschienen – seit dem hat sich die Situation in Breitenbrunn offenbar verändert. Wir arbeiten an einer Aktualisierung!