Selbstversuch: Foilen mit Wing Surfer

Sie sind der neue Hype im Wassersport: Wing Surfer sollen Windsurfen und Kiten miteinander verbinden und gleichzeitig einen neuen Sport kreieren. KITE war in Tarifa und hat es im Selbstversuch ausprobiert.

Robby Naish mit seinem Wing Surfer in Tarifa

Geht es nach den Herstellern, werden Wing Surfer der neue, heiße Trend für Windsportler. Kaum sind die ersten Videos im Netz aufgetaucht, brachen die Diskussionen los: Wer braucht das? Sieht das albern oder geil aus? Wie funktioniert das? Ist das schwierig? Werden wir bald unsere Kites im Keller einmotten und nur noch Wingsurfen? Um Fakten ins Meinungswirrwarr zu bringen, war KITE beim Naish Meeting in Tarifa. Wir haben uns den Wing der Hawaiianer genauer angesehen, mit Robby Naish gefachsimpelt und mit Händlern gesprochen. Und natürlich haben wir das Teil auch selbst ausprobiert.

Manchmal muss man warten, bis die Zeit reif ist für etwas Neues. Foil Wings oder Wingsurfer oder auch Surf Wings genannt sind keine neue Erfindung. Das Konzept, einen Flügel ohne Leinen oder fixe Verbindung zum Board zu nutzen, um sich übers Wasser ziehen zu lassen, kennen alteingesessene Windsurfer bereits aus den späten Achtzigern. Und wieso preschen genau jetzt viele Hersteller voran und bringen Wing Surfer auf einen Markt, den es bis dato noch gar nicht gab?

Robby erklärt sein neues Baby

Die Antwort bringt Robby Naish auf den Punkt: „Weil einfach jetzt die richtige Zeit dafür ist!“ Damit meint er, weil es bisher am nötigen Komplementärprodukt gefehlt hat. Mit konventionellen Boards hielt sich der Fahrspaß mit den Flügeln in Grenzen. Aber mit dem Aufkommen der großen Foils, die schon bei minimaler Geschwindigkeit abheben, kippstabil und damit sehr einfach zu foilen sind, erschließen sich neue Einsatzbereiche für die Wings. Hersteller wie Slingshot hatten ihren Wing nach eigenen Angaben schon seit Jahren fertig in der Schublade liegen und nur auf den richtigen Moment gewartet, um ihn auf den Markt zu werfen. Da die Konstruktion eines Wings verglichen mit einem Kite eher simpel anmutet, erstaunt es wenig, dass viele namhafte Hersteller die Pole-Position für den Markteintritt nicht verschlafen wollten. Naish, Duotone, F-One – viele erhoffen sich durch die Flügel einen neuen Absatzmarkt, der sowohl Windsurfer als auch Kiter und SUPler einschließt. Wie so ein Flügel aussehen muss, damit er funktioniert, ist vielen Kite-Designern seit Jahren bekannt.

Alte Idee – neue Konstruktion

Der Entwickler Tom Magruder hat bereits um 1986 die „Wind Weapon“ vorgestellt. Die „Waffe“ war eine Mischung aus Windsurfsegel und Kite. Die Idee: Das Windsurfsegel wird in der Mitte der Anströmkante an einem langen Masten befestigt anstatt mittels Mastfuß an der Unterseite. Dadurch ließ sich das Segel in verschiedene Positionen kippen: vertikal, wie ein klassisches Surf-Segel und horizontal, wie eine Tragfläche. Aus dieser Idee entwickelten sich Ableger wie der „Kite Wing“, der ohne Masten auskam und nur mit den Händen gehalten wurde. Wind Weapon und Kite Wing wurden damals mit einem starren Skelett, ähnlich wie ein Windsurfsegel konstruiert. Der Kite-Entwicklung ist es zu verdanken, dass die Idee, die Wind Weapon oder Kite Wing zugrunde lagen, heute wiederbelebt wurde. Denn die modernen Flügel sind nun aufblasbar, damit deutlich leichter und einfacher aufzubauen.

Genau wie ein Kite besteht der Flügel aus einer Front-Tube und einer Mittel-Strut aus normalem Dacron und der innenliegenden Bladder. An der Mittel-Strut sind über die gesamte Länge Griff-Schlaufen angenäht. Dazwischen wölben sich zwei tief profilierte Tuchsegmente aus Quad-Tex-Material (beim Naish Wing). Da Naish nach dem Motto „keep it simpel“ nur eine Größe (vier Quadratmeter) anbietet, muss man sich wenig bis keine Gedanken über die Materialwahl machen und ist nach gut einer Minute Aufbauzeit theoretisch abfahrbereit. Aufpumpen, Leash ums Handgelenk, fertig. Wirklich so einfach?

Wähle weise: Das richtige Board

Etwas komplizierter wird die Wahl des richtigen Boards. Einige Einsteiger haben sich zunächst auf einem großen SUP-Board ohne Foil versucht, um ein Gefühl für das Handling des Flügels zu bekommen. Und das gestaltet sich erstaunlich intuitiv: Die vordere Hand hält die Anströmkante leicht über dem Kopf des Fahrers, die Hintere reguliert den Antstellwinkel und damit die Power im Flügel. Die nötige Windgeschwindigkeit vorausgesetzt, kann man so auch mit einem SUP oder Windsurfboard ein wenig umhertuckern. Höhelaufen ist allerdings eine haarige Angelegenheit, mit aufblasbaren SUPs nahezu unmöglich. Auf dem SUP wirkt der Wing eher wie ein Spielzeug, auf dem Foil wird er dagegen zum Sportgerät.

Zum Foilen eignen sich kleine Wave-Foil-SUPs. Je nach Gewicht, Talent und Können sollten die aber nicht zu klein gefahren werden, wie unser Selbstversuch zeigt. Als Flügel kommen die großen Surf- und SUP-Foil-Frontflügel mit weit über 1.000 Quadratzentimetern Oberfläche zum Einsatz. Mit einem normalen Kite-Flügel wird man kaum eine Chance haben. Es geht darum, bei möglichst geringer Geschwindigkeit genug Auftrieb zu erzeugen, um das große Board samt Fahrer aus dem Wasser zu liften.

Das Board sollte groß genug sein

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Größte Hürde: Der Wasserstart

Die größte Herausforderung für den Neu-Wing-Foiler: Der Wasserstart. Wer bereits Foil-Erfahrung auf Kite- oder Windsurfboards gesammelt hat, wird relativ schnell auch mit dem Surf Wing foilen können – wenn man denn mal steht. Doch der Start trennt die Grobmotoriker von den Talenten. Wer es vom Windsurfen oder SUPen in der Welle gewohnt ist, auf einem kleinen kippeligen Board zu balancieren, das nicht vorwärts gleitet, hat bei den ersten Versuchen große Vorteile.

Den Anfang in unserem Selbstversuch macht David, ein Kite- und Windsurf-Instructor vom Surfcenter Altmühlsee, der bereits Foil-Erfahrung mitbringt und sich verblüffend gut anstellt. In den kabbeligen Tarifa-Bedingungen steht er nach nur wenigen Anläufen auf seinem 120-Liter-Board. Gestartet wird kniend auf dem Board, den Flügel mit der vorderen Hand über dem Kopf positioniert. Wer ihn wie ein Windsurfsegel vor sich in den Wind stellt, merkt schnell, dass das untere Tip im Wasser hängt und der Flügel sich ganz schnell auf den Rücken dreht. Mit der hinteren Hand „powert“ man an, zieht also das hintere Ende der Mittel-Strut etwas nach unten, um durch den steileren Anströmwinkel mehr Zug aufzubauen. Dann beschleunigt man das Board – vorausgesetzt der Wind reicht aus. Wir hatten in Tarifa gute 15 bis 18 Knoten beim ersten Versuch. Etwas mehr Power hilft, um das Board auf Tempo zu bringen. Die Haltekräfte sind zwar spürbar, aber erträglicher als es von außen aussieht. Immerhin verzichtet man ja auf das Trapez und hält den Wing nur mit den Armen. Durch die Anströmung im Wasser stabilisiert sich das Board und liegt ruhiger im Wasser.

Es folgt der „Heiratsantrag“: Das vordere Bein wird angewinkelt mit dem Fuß aufs Board gestellt. Bei ausreichender Fahrt und Druck im Tuch hilft die Zugrichtung des Wings dem Piloten beim Aufstehen. Das ist für Anfänger der haarigste Moment. Ist der einmal überstanden, steht man schulterbreit in Surf-Stellung auf dem Board und fährt die ersten Meter in Verdrängerfahrt. Ab jetzt geht alles leicht von der Hand. Reicht die Kraft im Wing, foilt das Board nach kurzer Zeit von alleine an. Andernfalls mogeln sich die Könner mit ein paar schnellen Pump-Bewegungen Auftrieb dazu, um schneller ins Foilen zu kommen.

Der Wasserstart erfordert Übung

Kein Kinderspiel für jeden

Anders als dem talentierten David ging es KITE Chefredakteur Arne. Ohne nennenswerte Windsurferfahrung und in der Gewichtsklasse knapp über 100 Kilo angesiedelt, hatte er mit einschlafendem Wind und einem vermeintlich zu kleinen Board zu kämpfen. Bei mageren zwölf Knoten und Kabbelwasser ließ sich die 120-Liter-SUP-Insel kaum beschleunigen. Aufstehen geriet zur Geduldsprobe. Gefühlslage nach 30 Minuten: ernüchternd. Ähnlich heterogen war auch der Lernfortschritt bei den anwesenden Händlern. Wer bei viel Wind und einigermaßen glattem Wasser seine ersten Versuche wagte, konnte wie David nach 15 bis 30 Minuten die ersten Meter foilen. Die Windsurfer waren dabei klar im Vorteil. Wer es im Kabbel-Chaos versuchte, durfte am Vorabend an der Bar nicht zu tief ins Glas geschaut haben. Ausreichend Wind benötigt jeder, die neue Leichtwindwaffe sind die Flügel aktuell (noch?) nicht. Aber: Spaß hatte damit jeder. Und wenn alteingesessene Kite-Händler, die so ziemlich alle Innovationen und Pseudo-Innovationen der Branche in den letzten 20 Jahren schon erlebt haben, strahlen wie kleine Kinder und sich im Verborgenen darum balgen, wer einen der wenigen Test-Wings direkt mit nach Hause nehmen darf, dann deutet das auf eine gewisse Marktrelevanz hin.

Fazit: Wer braucht das?

Ob Wingsurfen oder Wing-Foilen nun einfach oder schwierig zu erlernen ist, muss jeder für sich selbst ausprobieren und entscheiden. Wer sich einigermaßen geschickt anstellt, sollte schnelle Erfolgserlebnisse feiern können. Der Aufbau und die Handhabung des Wings sind Anwender- und Reise-freundlich – die Kombination mit einem klobigen SUP und einem XXL-Foil könnte jedoch einige abschrecken. Kitesurfen zeichnet sich immerhin zu einem Teil dadurch aus, dass man im Vergleich zum Windsurfen weniger Platz fürs Material benötigt. Wingsurfen liegt irgendwo dazwischen. Schaut man aber Könnern wie Robby Naish eine Weile zu, erahnt man das Potenzial und die Einsatzmöglichkeiten, die sich durch die Wings bieten. Einfach nur umherfahren allein sieht schon spielerisch aus. Bei Downwindern oder in der Welle, wenn der Flügel ganz entspannt nur an einer Hand gehalten mitschwebt, dann spürt man, dass die Dinger wirklich eine neue Disziplin begründen könnten, die in kurzer Zeit viele Fans begeistern dürfte. Und alle anderen können ja weiter kiten.

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Produktübersicht:

Naish Wing Surfer

Größe: 4 Quadratmeter

Features: Inflatable Leading Edge und Mittel-Strut, multiple Griff-Optionen, SureLock SUP-Ventil, Shark-Teeth an der Trailing Edge, Befestigungsschlaufen für SUP-Paddel, Quad-Tex Tuch

Preis: 799 EUR

Erhältlich ab: 7. Juni 2019

Duotone Foil Wing

Größen: 2, 3, 4, 5 Quadratmeter

Features: Verstellbarer Gabelbaum aus Aluminium, der für alle Größen verwendet werden kann. Laut Hersteller stabilisiert sich das Profil in der Luft von selbst und der Wing kann vollständig auswehen. Sichtfenster im vorderen Tuchsegment. Große Windrange und Profilstabilität durch Segellatten.

Preis: 499 bis 640 EUR

Erhältlich ab: 27.05.2019

Slinshot Sling Wing Classic V.1

Größe: 4,2 Quadratmeter

Features: Inflatable Leading- und Trailing Edge sowie Mittel-Strut. Die aufblasbare Trailing-Edge soll dem Flügel zusätzlich Stabilität verleihen. Power Grip Y-Handle soll freiere Griffpositionen ermöglichen. Sehr breite Mittel-Strut. Sichtfenster im vordereren Tuchsegment für bessere Sicht nach vorn beim Fahren. Zusätzliche Rand-Verstärkungen für den Einsatz mit dem Skateboard auf hartem Untergrund.

Preis: 829 EUR

Erhältlich ab: 2. Juli-Woche

F-One S-Wing

Verfügbar ab Ende Juni.

Preise und Produktinfos folgen.