Das deutsche Kite-Pro-Pärchen Marian Hund und Leni Finke hat die Weihnachtsferien in Down Under verbracht. Für KITE schildern sie ihren vierwöchigen Trip entlang der Westküste Australiens.
Endlose Wildnis, atemberaubende Landschaften und allerlei giftiges oder scharfzahniges Getier – Australien verspricht Abenteuer. Längst haben nicht nur Backpacker, sondern auch Kiter den Reiz des roten Kontinents für sich entdeckt. Besonders West-Australien lockt im Winter mit einer satten Windausbeute und Boardshort-Wetter. Profis wie Aaron Hadlow oder Stefan Spiessberger nutzen die guten Bedingungen seit Jahren fürs Winter-Trainingslager. Neben einzigartigen Kite-Spots, wie dem „Tümpel“ oder der quietschpinken Hutt Lagoon, gibt es in dem Land – knapp so groß wie Europa, mit der Einwohnerzahl von Bayern und Baden-Württemberg – viel zu entdecken. Man muss nur bereit sein, dafür sehr viel Zeit im Auto zu verbringen.
Australien ist verdammt weit weg
as spürt man spätestens am eigenen Sitzfleisch, wenn nach dem 7-Stunden-Flug nach Dubai noch der 11-Stunden-Flug nach Perth vor einem liegt. Nimmt man die lange Anreise auf sich, warten sieben Stunden Zeitverschiebung, die den Schlafrhythmus tüchtig durcheinanderwirbeln. Australien ist kein Ziel für einen Kite-Trip „mal zwischendurch“. Wir hatten für unseren Trip vier Wochen eingeplant, um neben dem Kiten ausreichend Zeit zu haben, etwas von der für uns Terra incognita erkunden zu können. Es mag merkwürdig klingen, aber wir haben uns ehrlich gesagt vor dem Flug nicht viele Gedanken gemacht, was uns dort erwarten würde. Natürlich wussten wir, dass der Pond ein ausgezeichnetes Freestyle Revier sein soll. Von der vorgelagerten Sandbank und, dass es dort Wind für alle Kite-Größen geben soll, hatten wir gehört. Alles andere haben wir auf uns zukommen lassen.
But first things first
Da wir Sparfüchse sind und unser Reisebudget nicht unnötig mit Flugkosten strapazieren wollten, haben wir Heiligabend ganz unromantisch im Flieger verbracht. An diesem Tag bekommt man nunmal die günstigsten Flüge. Obwohl ich nie großer Fan von Weihnachtsliedern war, die mein Opa regelmäßig vor der Bescherung anstimmt und die durch das summend-brummende Mitwirken meiner Familie nicht wirklich an Klangqualität gewinnen, vermisste ich sie in diesem Moment doch ein wenig. Für die fehlende Weihnachtsstimmung entschädigten uns die sommerlichen 30 Grad bei der Ankunft in Perth. Da auch die Australier am Weihnachtsabend auf Restaurantbesuche verzichten und so ziemlich alle Küchen geschlossen waren, mussten wir uns wir uns mit Falafel-Dürum mit anschließendem Eis am Strand anstelle eines Fest-Essens begnügen. Wenn man dabei Boardshorts und Flipflops tragen kann, ist das allerdings schon okay. Außerdem hatten wir Glück mit unserer Unterkunft: Unsere ausgesprochen netten AirBnB-Hosts hatten große Freude daran, uns ihre Heimat zu zeigen und luden uns am ersten Weihnachtstag zum Familien-Barbecue. Wir bekamen also doch noch unsere Dosis Weihnachtsstimmung. Das muss ich wirklich hervorheben: Bis auf ein paar wenige verschrobene Menschen im Norden sind die Westaustralier ein überaus nettes, fröhliches und hilfsbereites Völkchen. Mit so viel Herzlichkeit muss man als Hamburger anfangs erstmal klarkommen.
Safety Bay: der Tümpel
Wir waren heiß auf die erste Kite-Session, also brachen wir auf nach Safety Bay. Von den Locals liebevoll „The Pond“ (der Tümpel) genannt, bietet die lagunenartige Bucht astreine Freestyle-Bedingungen. Der Wind nimmt im Verlauf des Tages stetig zu und die Kiter-Dichte ist überschaubar, sodass es reichlich Platz auf dem Wasser gibt. Da die Schulungen fauf der anderen Seite der Sandbank stattfinden, können sich Anfänger vor Profis und umgekehrt sicher fühlen.
Unsere erste Woche war vollgepackt mit Action. Morgens unternahmen wir Ausflüge in die Umgebung, zum Beispiel einen Bootsausflug nach Garden Island, waren wir mit verspielten Seerobben schwimmen, haben Delfine beobachtet und die putzigen Pinguine auf Penguin Island besucht. Am frühen Nachmittag sollte man sich dann Richtung Kitespot bewegen. Während der ersten Session fliegt man die größeren Kites zwischen 10 und 13 qm, nachmittags frischt der Wind auf und man baut auf die kleineren Größen um. Das glatte Wasser formt eine perfekte Freestyle-Spielwiese. Wer in Australien kitet, sollte sich der gnadenlosen Kraft der Sonne bewusst sein. Egal zu welcher Uhrzeit: Sonnencreme ist Pflicht. Die großen Pumpspender mit Sonnencreme in fast jedem Haus haben ihre Daseinsberechtigung und man sollte davon reichlich Gebrauch machen, möchte man nicht nach ein paar Tagen rot leuchten wie der Ayers Rock im Sonnenaufgang.
Next Stop: Margaret River
Sylvester wurde es Zeit für einen Locationwechsel: Wir fuhren nach Süden ins 250 km entfernte Margaret River. Auf dem Weg dorthin sollte man einen Stopp bei den Canal Rocks einplanen. Man kann dort wunderbar zwischen den Felsen an der Küste entlang klettern und ins Wasser springen. Beim Schnorcheln machten wir Bekanntschaft mit unserem ersten australischen Rochen. Der Sylvester-Abend verlief unspektakulär. Als wir kurz vor Mitternacht in das Zentrum von Margaret River fuhren, schien es, als ob sich alle Einheimischen bereits in die Federn gelegt hätten. Offenbar sind andere für das berüchtigte Image der trink- und feierwütigen Australier verantwortlich. Oder die lassen das nur raus, wenn sie auf dem Oktoberfest im Hofbräu-Zelt um die Wette aus Schuhen trinken. Aber lassen wir das mit den Klischees besser.
Perfekte Wellen
Margaret River ist ein guter Ausgangspunkt für Touren zu den umliegenden Highlights: Am ersten Tag wollten wir zum Surfers Point. Dort tummelten sich bereits viele Wellenreiter im Wasser. Wir quatschen einen netten Local an und der schickte uns weiter nach Gracetown – zu unserem großen Glück! Der Spot ist ein phänomenaler Ort zum Wellenreiten. Eine perfekte Welle nach der nächsten rollte tosend durch die Bucht und schob einen Surfer vor sich her. Im lokalen Surfshop kann man sich Boards mieten, also verbrachten wir den restlichen Tag paddelnd und surfend im Wasser. Unser Erlebnishunger wuchs mit jedem Tag – und wurde nie enttäuscht. Wir fuhren weiter nach Augusta. Dort befindet sich eine malerische Bucht in der das Meer in den schillerndsten Farben leuchtet. An der kleinen Meeresöffnung tummeln sich unzählige Delfine. Augusta ist nicht nur wunderschön, hier soll man auch gut kiten können. Wir hatten an dem Tag leider kein Glück mit dem Wind. Ein Ausflug dorthin lohnt sich so oder so. Zurück in Safety Bay genossen wir zwei weitere Tage phantastische Kitebedingungen bevor wir unseren gebuchten Camper in Empfang nahmen.
Buschlandschaft, soweit das Auge reicht
Vor uns lagen sieben Tage Roadtrip in den Norden. Wertvoller Tipp: In Australien sollte man nicht nachts fahren. Die vielen toten Kanguruhs und Emus am Straßenrand beweisen, wie schnell einem hier ein Tier vors Auto rennen kann. Die Straßen an der Westküste ziehen sich über hunderte Kilometer schnurgeradeaus. Links und rechts fliegt die Buschlandschaft vorbei und verschafft dem Auge kaum Abwechslung. Relativiert man die Größe Australiens, stellt man fest, dass Europa flächenmäßig nur knapp größer ist, aber 30-mal so viele Einwohner hat. 90% der Einwohner leben an der Ostküste, 10% an der Westküste. Der restliche Teil des Landes ist also quasi menschenleer. Bedeutet: Buschlandschaft soweit das Auge reicht. Beeindruckend während der endlosen Gurkerei sind die Roadtrains, bis zu 200 Tonnen schwere und über 50 Meter lange LKW-Gespanne. Diese Güterzüge auf Rädern haben einen Bremsweg von über einem halben Kilometer und sind mit martialisch anmutenden Bullenfängern ausgestattet. Stellt sich ein unbedachtes Tier so einem Ungetüm in den Weg, darf es nicht auf eine Vollbremsung hoffen.
Pit-Stopp am Coronation Beach
Nach einem kurzen Stop in Lancelin fuhren wir weiter Richtung Coronation Beach. Auf dem Weg dorthin trafen wir vier sehr nette Deutsche, die schon einige Zeit im Camper unterwegs waren und uns mit wichtigen Infos zum australischen Camperlife versorgten. Nach einem Gourmet Abendessen, bestehend aus Nudeln und Sauce, machten wir uns auf den Weg zu unserem ersten Schlafplatz. Die App CamperMate, zeigte alle, teilweise kostenlose Schlafplätze an. Diese sollte man nachts ansteuern, denn die Ranger in den National Parks haben kein besonders großes Herz für Wildcamper. Die meisten Schlafplätze sind Selbstversorger–Plätze. Mit etwas Glück gibt es allenfalls ein sogenanntes „long drop“ (Plumpsklo), Duschen oder Einkaufsmöglichkeiten sind Mangelware. In Coronation Beach fanden wir eine weitläufige Bucht mit feinem Sand und sideshore Wind. Zum Rumspielen in den Wellen und für Oldschool Tricks eignet sich der Spot gut. Hier trifft man außerdem auf viele Windsurfer.
Pink Lake: Geil oder giftig?
Auf unserer Bucket List ganz oben stand die Hutt Lagoon – besser bekannt als „Pink Lake“. Für die schillernde Farbe sind Algen verantwortlich, die Beta-Carotin produzieren und damit den See pink färben. Wegen dem extremen Salzgehalt fühlt sich das Wasser zäh und schmierig an. Die naheliegende Anlage von BASF erhöhte nicht gerade unser Vertrauen in diese bunte Suppe. Die scharfe Salzkruste am Boden des Sees wird nur von ein paar Zentimetern Wasser bedeckt. Trotzdem bauten wir unsere Kites auf und drehten ein paar Runden. Trotz der Farbenpraccht: Spaß macht der Spot nicht, da der Wind durch die Abdeckung extrem böig weht. Das bekam Leni schmerzlich zu spüren. In einem Windloch fiel sie zurück ins Wasser, die nächste Böe zog sie ein Stück über den scharfen Grund und schon lief das Blut. Zum Glück waren die meisten Kratzer nur oberflächlich und alle wichtigen Bilder vorher schon im Kasten.
Haie, Delfine und Blitze
Weiter ging die Tour nach Kalbarri. Sehenswert ist dort die wilde Formation der Küste. Der Kitespot selbst ist eher böig und die Strömung saugt stellenweise unangenehm am Board. Wir entschieden uns weiter zu fahren und erreichten abends Shark Bay. Namensgeber der Bucht ist unter anderem eine der weltgrößten Ansammlung von Tigerhaien. Direkt am Wasser fanden wir ein schönes Plätzchen für unseren Camper und schliefen zu leisen Wellengeräuschen ein – nur um nachts von dem heftigsten Gewitter geweckt zu werden, dass wir jemals erlebt hatten. Mehrsekündige Blitze erleuchteten die Nacht, direkt gefolgt von donnerndem Grollen. Faradayscher Käfig hin oder her, da kann es einem schon mal mulmig werden. Die Nacht war unruhig und kurz, entsprechend müde fuhren wir morgens über Denham nach Monkey Mia. Der Ort ist bekannt für seine große Delfinpopulation. Dort angekommen machte sich Ernüchterung breit. Wir hatten nicht mit der Größe und den vielen Regeln dieser Touristen-Attraktion gerechnet hatten. Den Nachtmittag nutzen wir für eine Session am Shell Beach. Der Strand verdient seinen Namen, denn er besteht ausschließlich aus kleinen Muscheln.
Reisegeschwindigkeit: 80 km/h
Wir hatten bereits über 1.000 km in drei Tagen abgespult. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von gerade einmal 80 km/h kommt man in Australien nur gemächlich voran. Da das nächste Ziel auf unserer Karte weitere 700 Kilometer entfernt im Norden lag und wir drei Tage später unseren Camper zurückgeben mussten, beschlossen wir Kehrt zu machen und zurück Richtung Perth zu fahren. Dadurch hatten wir mehr Zeit, die Gegend zu erkunden anstatt nur im Auto Kilometer zu schrubben. Wir hielten unterwegs am Woodman´s Point, einem schönen Flachwasser-Spot mit schillernden Wasserfarben. Die letzten fünf Tage war dann nochmals Freestyle-Vollgas auf dem Pond angesagt – der perfekte Abschluss für die erlebnisreiche Zeit.
Australien hat uns mit seiner landschaftlichen Vielfalt genauso beeindruckt wie mit seinen offenen und herzlichen Bewohnern! Der grüne Süden ist gesäumt mit herrlichen Stränder. Immer wieder passiert man riesige Weingüter am Straßenrand. Der Norden steht dazu im krassen Kontrast: Trocken, heiß und die unüberschaubare Weite beeindrucken zutiefst. Wir werden definitiv zurückkehren – dann mit mehr Zeit, um auch die einsamen Strände und quirligen Korallenriffe im Norden in Ruhe entdecken zu können und nicht nur im Auto zu sitzen.
Gut zu wissen
Beste Reisezeit:
November – Februar (größte Windwahrscheinlichkeit, Durchschnittstemperatur zwischen 21 und 24 Grad Celsius)
Anreise nach Perth:
Anreisedauer inkl Zwischenstopp min. 18,5 Stunden, Abflug von den gängigen deutschen Flughäfen (z.B. Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt, München) mit jeweils einem Zwischenstopp (Dubai oder Singapur) / Airlines: z.B. Emirates, Quantas, Singapore Airlines
Kosten:
Flüge: ca. 850 – 1.200 Euro je nach Reisezeit & Flexibilität
Auto: ca. 30 – 50 Euro pro Tag
Unterkunft: ca. 15 – 30 Euro pro Nacht
Essen: Lebensmittel sind grundsätzlich teurer als in Deutschland (ca. um Faktor 1,2 – 1,5)
Insider-Tipp:
Allen, die mit dem Camper unterwegs sein wollen, empfehlen wir die App CamperMate. Hier sind (auch kostenlose) Übernachtungsmöglichkeiten, Toiletten, Duschen, Tankstellen etc. eingezeichnet – vor allem im dünn besiedelten Norden hilfreich
[wp_bannerize group=“content“ random=“100″ limit=“1″]
Diese Artikel könnten dich ebenfalls interessieren
Spotreport: Peloponnes
Farbgewalt auf der PeloponnesAmphitheater, Kalamata-Oliven und warmer Wind. Die Peloponnes steht touristisch im Schatten…
Ostsee-Spotreport: Pelzerhaken und Rettin
Pelzerhaken ist als Hotspot bekannt – allerdings mehr unter Kitern als unter Virologen. Infektionsgefahr…
Wave-Guide Nord: Windrichtungen für Wellensüchtige
Solange Reisen auf die Südhalbkugel noch nicht wieder möglich sind, bleiben Wave-Junkies nur die…
Nordjütland: Der letzte Rest von Dänemark
Cold Hawaii ist genauso beliebt wie überlaufen. Klar, die Bedingungen insbesondere für Wave-Kiter…
Kiting Vikings: Summer Vibes in Norwegen
Norwegen gilt für viele Kiter als unbeschriebenes Blatt. Dabei findet man entlang der endlosen…
Rügen: Roadtrip gegen den Corona-Blues
Der Kite-Sommer 2020 war anders als alle bisherigen. Da man ohnehin nichts richtig planen…