Moderne Kites werden immer teurer, halten dafür aber auch länger - vorausgesetzt sie werden richtig behandelt. Mit guter Pflege kann man die Lebensdauer eines Kites deutlich verlängern und bares Geld sparen. Flugstunden, Baujahr, Einsatzort, Pflegezustand, Kite-Level des Vorbesitzers,... Murdoch Schwalm von den Wingeistern Fehmarn erklärt, worauf es ankommt.
Die Qualität der Schirme hat in den letzten Jahren stark angezogen
Als der Kite-Sport noch in den Kinderschuhen steckte, kauften die meisten von uns spätestens nach der zweiten Saison einen neuen Schirm. Der Verschleiß des Materials war damals zweitrangig. Maßgeblicher Faktor für eine Neuanschaffung waren die enormen Entwicklungssprünge. Jedes Modelljahr brachte neue Kite-Technologien mit sich, die neuen Schirme flogen viel besser, und modernisierte Sicherheitssysteme verhinderten schlimme Unfälle. Logisch, dass sich niemand mehr mit den Kites der vergangenen Generationen abmühen wollte. Mit dem Sport ist auch das Material erwachsener geworden. Gerade bei den Kites wurden die Entwicklungssprünge von Jahr zu Jahr geringer, so dass ein heutiger Kite, der bereits zwei Jahre auf dem Buckel hat, technisch gesehen noch lange nicht in die Altkleidersammlung gehört. Dadurch rückt das Thema Haltbarkeit immer stärker in den Fokus. Kites sind Verschleißgegenstände, deren Flugeigenschaften sich mit der Anzahl der Flugstunden verändern. Es gilt also, mit der richtigen Pflege die ursprünglichen Flugeigenschaften so lange wie möglich zu konservieren.
Kites als Investition
Dazu kommt der finanzielle Aspekt. Bei Listenpreisen von 1.500 Euro und mehr für einen Zwölfer – ohne Bar wohlgemerkt – befiehlt schon der ökonomische Menschenverstand, die Lebensdauer zu maximieren und den Wertverlust zu minimieren. Viele Kiter achten penibel auf den Wiederverkaufswert. Nachvollziehbar, denn der Gebrauchtmarkt floriert, und die Nachfrage nach gebrauchten Schnäppchen-Kites ist hoch. Doch ähnlich wie beim Kauf eines Gebrauchtwagens fragt sich der Käufer eines Second-Hand-Kites, wie lange er diesen benutzen kann, bevor teure Werkstattkosten den günstigen Gebrauchtpreis relativieren.
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten und die Preisunterschiede fallen hier eklatant aus: Ein Schirm eines Urlaubskiters, der sein Material wenig benutzt und scheckheftgepflegt anbietet, ist bedeutend mehr wert als ein Schulungskite gleichen Alters, der als Arbeitsgerät täglich auf dem Wasser war. In Zahlen kann der Preisunterschied mehrere hundert Euro betragen.
Was sollte man bei Second-Hand-Kites beachten?
Die große Herausforderung für den Schnäppchenjäger liegt darin herauszufinden, zu welcher Kategorie der Gebrauchte zu zählen ist und ob der Preis gerechtfertigt ist. Der Gebrauchtmarkt produziert – auch aufgrund der Verlagerung ins Internet – heute allerlei Wildwuchs. Immer wieder liest man in Inseraten das vermeintliche Qualitätssiegel „Tuch knistert noch“. Ob sich dahinter wirklich ein wenig geflogener Kite verbirgt oder doch ein durchgenudelter Schulungskite, dessen Tuch sich so weich anfühlt wie Muttis Bettlaken, ist auf einem Foto kaum feststellbar. Gerissene Verkäufer wollen so den Preis erhöhen. Um sich davon nicht täuschen zu lassen, muss der Käufer also vor dem Kauf genau hinschauen. Oder nach dem Kauf nachverhandeln. Doch haben die Scheinchen erst mal den Besitzer gewechselt, wird es bei Privatverkäufen schwierig, im Nachhinein einen Preisnachlass oder eine Rückgabe durchzusetzen.
Der Zahn der Zeit nagt am Kite
Betrachten wir den Aufbau eines Kites mal ganz nüchtern, dann sehen wir ein Gerüst aus aufgepumpten Schläuchen aus hauchdünnem Kunststoff, meist ummantelt von Dacron-Gewebe. An diesem Gerüst sind, je nach Bauform, mehrere Leinen angebracht, die üblerweise auf Rollen laufen. Zwischen den Streben, also den Quer-Struts, ist Segeltuch gespannt. Ein Kite, dessen ausgerollte Größe die Maße eines Studentenzimmers sprengt, bringt dabei keine fünf Kilo auf die Waage. Da unsere Schirme ohne Motor fliegen müssen, ist Leichtbau angesagt, und für die Hersteller gilt es, den besten Kompromiss aus Flugleistung und Haltbarkeit zu finden. Ein Kite mit den optimalen Flugeigenschaften wäre wohl extrem leicht, doch bereits nach wenigen Stunden in der Luft so verzogen, dass er sich anfühlt wie eine Plastiktüte. Andersherum: Wäre ein Kite so robust konstruiert, dass er mehrere Jahre im Schulungsbetrieb überleben könnte, würde er wohl erst ab sechs Windstärken fliegen.
Hauptursachen für den Verschleiß
Die beiden Hauptursachen für den Verschleiß sind schnell entlarvt: Die UV-Strahlung der Sonne und die mechanische Belastung nagen am Material wie hungrige Heuschrecken. Das Segeltuch des Kites „arbeitet“, sobald der Kite fliegt und bekommt dank seiner exponierten Lage zudem den Löwenanteil der UV-Strahlung ab. Wenn das Tuch das Ende seiner Lebenszeit erreicht, bleibt nur noch der Kauf eines neuen Kites. Dazu kommen Verschleißteile wie Waageleinen, Rollen und Depower-Tampen an der Bar, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, sich aber in der Regel nach Ablauf der Lebensdauer – oder besser kurz davor – einfach austauschen lassen. Dass eine Leine sich im Laufe der Zeit durchreibt, wenn eine Rolle unter Last darauf herumrollt, ist genauso einfach nachvollziehbar wie der Verschleiß des Depower-Tampens, der sich fortlaufend an der Bar aufreibt.
Die Alterung des Segeltuchs ist nicht ganz so evident. Was genau passiert da? Die meisten Segeltücher, die für Kites benutzt werden, bestehen aus Ripstop-Nylon. Da es sich hierbei um ein Gewebe handelt, ist das Tuch an sich in etwa so luftdicht wie ein Fußballtrikot. Für die Verwendung in einem Kite reicht das nicht aus, da zu viel Luft durch das Tuch hindurchziehen kann. Diesem Problem wirken die Produzenten entgegen, indem sie das Tuch mit einer Polyurethan-Mischung beschichten oder durchtränken. Bei der Herstellung und Zusammensetzung dieser Mischung arbeitet jeder Hersteller mit seinem Geheimrezept. Die Beschichtung sorgt für Luftundurchlässigkeit und versteift das Tuch: Aus dem Fußball-Trikot wird eine Hardshell-Jacke. Das Segeltuch eines frischen Kites fühlt sich in der Hand steif und glatt an. Je nach Tuchtyp und -beschichtung glänzt das Tuch. Beim Aus- und Einrollen entsteht ein deutlich hörbares Geräusch – eben das vielbemühte, aus jeder zweiten Gebrauchtanzeige bekannte Tuchknistern.
Abnehmende Beschichtung
Diese Beschichtung ist leider nicht für die Ewigkeit gemacht. Regenjacken verlieren eben auch nach einigen Waschgängen ihre Imprägnierung. Je stärker die Beschichtung des Flugtuchs abnimmt, desto mehr Luftmoleküle pressen sich durch das Tuch. Das wirkt sich negativ auf die Leistungsfähigkeit des Kites aus. Die Anströmung des Profils verschlechtert sich und die geringere Steifigkeit im Tuch lässt den Kite träger auf Lenkimpulse reagieren. Durch die Alterung verliert das Tuch zudem seine Reißfestigkeit, so dass bereits ein kleines Loch nach einem harten Crash zum wirtschaftlichen Totalschaden führen kann. Ein seriöser Segelmacher wird die Reparatur eines solchen Oldtimer-Kites ablehnen, da seine Naht das Tuch perforiert und damit nur neue Sollbruchstellen schaffen würde. Die Lebenszeit eines Kites ist also nahezu unbegrenzt – solange man ihn unbenutzt in einen abgedunkelten Raum legt. Welcher Verschleiß ist also vermeidbar und kann das Kite-Leben deutlich verlängern?
Sand
Wer einmal Sand unter dem Mikroskop gesehen hat, weiß, dass die einzelnen Körner sehr scharfkantig oder spitz sein können. Schmirgelpapier heißt nicht umsonst auch Sandpapier. Unseren Füßen am Strand macht das recht wenig aus, doch unser Kite hat eben keine Hornhaut. Bereits eine kleine Menge Sand in einer Umlenkrolle oder dem Depower-System der Bar reicht aus, um dem Material ordentlich zuzusetzen. Deshalb empfiehlt es sich, vor dem Start des Kites die Rollen und die Bar auf Sandrückstände zu checken und zu reinigen. Darüber hinaus sollte man den Kite vor dem Einrollen und Verpacken möglichst gründlich vom Sand befreien, denn auch in der Tasche scheuern die kleinen Körner noch am geliebten Sportgerät.
Salz
Salzrückstände sind im Grunde genauso gemein wie Sandkörner: Die winzigen Kristalle reiben auf dieselbe Weise an Bar und Umlenkrollen und sollten deshalb regelmäßig entfernt werden. Wird der Kite in Meerwasser gebadet und danach an der Luft getrocknet, bleiben Salzrückstände im Tuch. Diese sind zwar während einer Kite-Session nicht weiter dramatisch, doch sie schädigen auf Dauer die Beschichtung des Segeltuchs, sollte der Kite mit Salzkruste eingepackt werden. Beim Einrollen und Verpacken werden die Tuchschichten aufeinandergelegt und es entsteht Reibung. Ein Kite kann also auch innerhalb der Tasche leiden. Hier hilft nur regelmäßiges Duschen – mit Süßwasser wohlgemerkt. Aber: Selbst die Wellness-Behandlung mit Süßwasser kann das Tuch schädigen. Hochdruckreiniger, Seifen und raue Küchenschwämme sind tabu, wenn der Kite ein hohes Alter erreichen soll.
Feuchtigkeit
Wird ein Kite nass eingepackt, entstehen hässliche Stockflecken. Außerdem schlägt einem muffiger Geruch entgegen, sobald der Kite aus dem Bag geholt wird. Also: Nase auf beim Kite-Kauf. Die Entwicklung von Stockflecken wird innerhalb des Kite-Bags beschleunigt, denn Druck und verminderter Luftaustausch begünstigen ihre Entstehung. Stockflecken sind eher ein optischer Mangel, denn um das Kite-Tuch wirklich nachhaltig zu schädigen, müssen sie schon recht stark ausgeprägt sein. Wird man von einem Regenschauer überrascht, hat man keine Wahl als den Kite nass einzupacken. Also keine Panik, deshalb wird sich das Tuch nicht sofort in eine Spielwiese für Schimmelpilze verwandeln. Doch sollte man den Kite danach nicht im Kofferraum liegen lassen. Wer keinen Garten oder ein großes Wohnzimmer hat, in dem man den Kite komplett aufgepumpt trocknen kann, lässt nur die Quer-Struts befüllt und stellt den Kite sehr locker gerollt hochkant in die Dusche. Das ist zwar nicht optimal, aber um Längen besser, als ihn dicht gepackt in einer nahezu luftdichten Umgebung vor sich hin modern zu lassen.
UV-Strahlung
Man kann sich Mühe geben und seinen Kite vor Salz, Sand und Feuchtigkeit schützen. Aber UV-Strahlung ist unvermeidlich, denn die Deutsche Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung verbietet das Kiten bei Nacht. Genau wie unsere Haut leidet auch das Kite-Tuch unter dem ständigen Beschuss durch die energiereichen Photonen. Das lässt sich leider nicht ändern, denn Sonnencreme für Kites gibt es nicht. Daher sollte zumindest die vermeidbare Sonneneinstrahlung auf das Kitetuch auf ein Minimum reduziert werden. Wird der Kite nicht in der prallen Sonne getrocknet, sondern nach dem Spülen ins Carport gehängt, verlängert das die Lebenserwartung. Noch drastischer: Wer den Kite in den Pausen zwischen zwei Sessions abbaut oder ihn zumindest mit aufgeblasenen Struts einwickelt, erspart dem Tuch viele Stunden auf der Sonnenbank.
Tuchbewegung
Dasselbe gilt auch für das Flattern des Tuchs, wenn der Kite am Strand geparkt wird. Dann entstehen kleine Knickstellen, die die Tuchfasern bei hoher Frequenz unzählige Male hin und her biegen. An Starkwindtagen potenziert sich der negative Windeinfluss. Wer lange Freude an seinem Kite haben möchte, lässt ihn also nicht unnötig am Strand im Wind flattern. Daher gilt: Erst umziehen, dann aufbauen und gleich aufs Wasser gehen. Genauso wichtig ist das Packen des Kites. Wird der Kite mit mechanischer Präzision immer an derselben Stelle gefaltet und so klein wie möglich gepackt, riskiert man, mit diesen Falzen Sollbruchstellen in sein Tuch zu arbeiten. Besser: Je nach benötigtem Packmaß wird der Kite so locker wie möglich aufgerollt und dabei darauf geachtet, dass die Knickstellen sich nicht immer an derselben Position befinden.
Vorbesitzer
Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Kites variiert also sehr stark mit den äußeren Einflüssen und der Pflege. Eine pauschale Aussage über die Mindesthaltbarkeit eines Kites lässt sich also kaum treffen. Fliegt der Schirm ausschließlich in Norddeutschland, muss er weniger UV-Strahlung verarbeiten als bei gleicher Flugzeit unter der ägyptischen Sonne. Süßwasser-Kiter malträtieren das Material seltener mit Salzkristallen. Und wer seinen Kite sauber auf der trockenen Wiese einpackt, schont das Tuch. Doch noch ein Faktor spielt im Wortsinn eine „gewichtige“ Rolle: Wenn ein Achter-Kite sein Leben an den Leinen einer 50-Kilo-Kiterin verbringt, wird er den Löwenanteil seiner Flugarbeit bei müden fünf Windstärken am Himmel absolvieren. Dann wirken deutlich geringere Kräfte auf Tuch und Leinen. Ein 100-Kilo-Brocken, der den Achter nur herausholt, wenn es richtig knallt und damit Kiteloops springt, verlangt dem Material deutlich mehr Lebenszeit pro Flugstunde ab. Beim Gebrauchtkauf und -verkauf geht es also nicht nur darum, wie alt der Kite ist, wie viele Sessions er im Einsatz war und wie sein Pflegezustand ist. Genauso wichtig ist es zu wissen, wo und von wem er eingesetzt wurde. Hier gilt dasselbe wie bei einem Gebrauchtwagen: Ein scheckheftgepflegtes Garagen-Auto, das von einer zierlichen alten Dame gefahren wurde, ist auf dem Automarkt beliebter als dasselbe Modell aus dritter Hand, welches mit dem Bleifuß eines heißblütigen Mittzwanzigers malträtiert wurde – selbst wenn der Wagen der Dame ein paar Kilometer mehr gelaufen ist.
Sichtbare Gebrauchsspuren
Dass ein Kite weit über dem Zenit seiner Lebenserwartung ist, erkennt man relativ einfach anhand extremer Abnutzungsspuren, beispielsweise Scheuerstellen an der Tube, stark verblasster oder vergilbter Farben im Tuch, ausgefranster Nähte oder sich ablösender Bedruckung. Hier ist auch mit Pflege nichts mehr zu machen, und es bleibt nur die Neuanschaffung. Doch derart deutliche Fotos wird man in Online-Inseraten selten sehen. Die Optik und Haptik eines neuen Tuchs im Vergleich zu ausgemergelten Tüchern ist auf Fotos nicht auszumachen. Besser: anfassen, genau hinsehen und – wenn möglich – ausprobieren. Denn steht die Kappe nicht von allein gerade in der Luft, sondern zieht zu einer Seite, sind Bridles, Leinen oder sogar die Kappe selbst verzogen.
Drei Tipps zur Pflege Eures Kites
Kites regelmäßig mit Süßwasser abwaschen, damit sich keine Salzkristalle im Tuch absetzen.
Kites zum Trocknen und zwischen den Sessions im Schatten und windgeschützt lagern. Sowohl unnötige UV-Straheln als auch Bewegung im Tuch lassen Kites altern.
Kites nicht in nassem Zustand einpacken, um Stockflecken und Mief zu verhindern.
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