Und es kommt eben doch auf die Länge an: Beim Steuerknüppel der Kiter geht es allerdings nicht darum, wer den Längsten hat. Vielmehr erfordern verschiedene Kite-Größen unterschiedlich breite Bars. Warum und wieso, darüber kursieren viele Mythen und Halbwahrheiten. Für die Lösung reicht ganz einfache Mathematik – und ein wenig Verständnis für das Steuerverhalten von Kites. Kite-Designer Ralf Grösel bringt es auf den Punkt.Text & Grafiken: Ralf Grösel Design
Macht eine schmale Bar den Kite langsamer?
Eine der größten Fehlannahmen ist, dass eine schmale Bar den Kite automatisch verlangsamt. Die Grafik zeigt zwei Duotone Click Bars, eine mit 42 Zentimetern Länge (Größe Small) und eine in der Standardlänge 49 Zentimeter. Um herauszufinden, was für wen besser funktioniert, muss man zunächst die Mathematik hinter den verschiedenen Bar-Breiten verstehen. Dafür habe ich ein gewöhnliches Steuerungs-Szenario illustriert.
Beide Bars sind mit 45 Grad Lenkwinkel eingelenkt. Die Differenz der Längen der Steuerleinen beträgt in diesem Fall 2,5 Zentimeter. Das bedeutet, dass die breitere Bar die Steuerleinen bei gleichem Lenkeinschlag um 2,5 Zentimeter stärker verkürzt als die schmalere Bar. Möchte man mit beiden Bars dieselbe Verkürzung der Steuerleinen erreichen, müsste man die kürzere Bar um zehn Grad stärker einschlagen.
Warum sind verschiedene Bar-Breiten nötig?
Um das zu verstehen, muss man zwei verschiedene Variablen betrachten:
• die Kite-Größe
• den Stall-Punkt
Die Steuerung eines Kites erfolgt vereinfacht gesagt durch die Verformung der Tip-Bereiche. Würde man einen Kite in Bezug auf seine Größe von zehn auf 15 Quadratmeter hinaufskalieren, ohne auch nur einen der Design-Parameter zu ändern, würde das automatisch den Steuerweg verlängern. Das ist einfacher zu verstehen, wenn man sich vor Augen hält, dass ein 15er-Kite viel mehr Fläche in den Wing-Tips im Vergleich zu einem Zehner aufweist. Der 15er muss also durch den Lenkeinschlag stärker „verbogen“ werden, um dasselbe Maß an Deformation im Bereich der Tips zu erreiche
Bedeutet das: Je größer der Kite, desto länger muss die Bar sein?
Diese Annahme stimmt nicht zwangsläufig. Ein Beispiel: Der Evo von Duotone wird in elf verschiedenen Größen produziert und jede Größe weist eine unterschiedliche Aspect Ratio (das Verhältnis von Länge zu Breite, auch oft als Streckung des Kites bezeichnet) auf. Ebenso ist die Geometrie der Tips bei jeder Größe anders, denn sie bestimmt, wie groß der Steuerweg, also die Verkürzung der Steuerleine durch Lenkeinschlag an der Bar, jeweils sein muss. Die Veränderung dieser Parameter ist jedoch durch den Stall-Punkt limitiert. Jeder Kite erreicht einen Stall-Punkt, wenn man die Steuerleinen zu stark anzieht. Dieser Stall-Punkt setzt das untere Limit für den nutzbaren Steuerweg und zwingt den Kite-Designer, entweder die Fläche der Wing-Tips zu vergrößern oder eine schmalere Bar zu verwenden. Der Unterschied des Steuerwegs bei gleichem Lenkwinkel zwischen einer 42 Zentimeter und einer 49 Zentimeter langen Bar beträgt 3,5 cm. Das mag marginal klingen, macht bei einem vier Quadratmeter großen Kite aber einen riesigen Unterschied.
Haben unterschiedliche Bar-Breiten Einfluss auf das Bar-Gefühl?
Die Antwort ist ganz klar: ja. Eine breite Bar auf einem kleinen Kite, beispielsweise einem Achter, führt zu einem unpräzisen Feeling, insbesondere bei Starkwind und ruppigen Bedingungen. Das liegt daran, dass zwischen Kiter und Kite ständig Bewegung herrscht, besonders bei Kabbelwasser oder in Wellen. Diese Bewegung spürt man an der Bar: Sie wackelt förmlich in der Hand, sodass man sich nicht richtig mit dem Kite verbunden fühlt. Das ist ähnlich wie bei einer Servolenkung im Auto, die zu weich abgestimmt ist. Sie ist nicht präzise genug im Bereich der Mittelachse. Kleinere Kites erfordern also kleinere Bars. Bei Duotone haben wir uns auf zwei unterschiedliche Bar-Breiten festgelegt, die alle Größen zwischen vier und 17 Quadratmetern abdecken. Das funktioniert, weil wir die Design-Parameter für jeden Kite in jeder Größe entsprechend verändern und anpassen.
Ich empfehle unbedingt folgende Faustregel für alle Kite-Modelle: Die schmale Bar sollte für Kites zwischen vier und zehn Quadratmetern eingesetzt werden, die breite Bar wird mit Kites von elf bis 17 Quadratmetern geflogen. Da die breitere Bar dazu noch mit zwei Meter längeren Leinen ausgeliefert wird als die schmale Version, verbessert das das Low-End-Potenzial der Kites spürbar. Wenn es nach mir geht, sollte eine 49-Zentimeter-Bar nicht mit einem Achter-Kiter zusammen geflogen werden, da der Steuerimpuls und die Präzision im Handling nicht dasselbe sind wie mit einer 42er-Bar auf derselben Kite-Größe.
Weitere Infos zum Autor sowie spannende Artikel auf Ralf Grösels Blog unter www.ralfgroeseldesign.com/blog
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