Wer im Winter kiten will, muss sich warm anziehen. Mit klappernden Zähnen, blauen Lippen und steifen Fingern wird die Session schnell zur Qual. Viele Kiter unterschätzen außerdem das Risiko einer Unterkühlung. Doch mit den richtigen Accessoires kann man der Kälte trotzen – und muss nicht zwangsläufig in einen dicken Winter-Neo investieren.
Immer mehr Kiter wagen den Schritt vom Gelegenheits- zum Ganzjahres-Surfer. Dafür gibt es gute Gründe: Im Herbst und Winter sind die heimischen Spots weniger voll. Außerdem steigt die Windwahrscheinlichkeit an Nord- und Ostsee. Wer die Starkwind-Saison auskosten will, steigt entweder in den Flieger oder investiert in die richtige Kleidung. Das größte Risiko im Winter liegt in der schleichenden Unterkühlung. Auf dem Wasser spüren die meisten Kiter den Abfall der Körpertemperatur erst, wenn es bereits zu spät ist.
„Die Winterzeit ist auch die etwas ruhigere und entspanntere Zeit auf dem Wasser. In dieser Zeit des Jahre gehe ich auf Entdeckungsreise mit dem Hydrofoil. Während andere zum Sonntagsspaziergang an den Strand fahren, packe ich das Hydrofoil raus und entdecke neue Küsteabschnitte im Norden.“
Jan „Shigi“ Schiegnitz
Damit sich die Fahrt zum Spot lohnt und die Session nicht schon nach einer Stunde aufgrund von Unterkühlung beendet werden muss, gilt es, die einzelnen Körperteile vor Wärmeverlust zu schützen. Schon die Großmutter wusste damals: Im Winter nie ohne Mütze aus dem Haus gehen! Allerdings ist die Annahme, dass der Kopf für den größten Wärmeverlust verantwortlich ist, nicht ganz korrekt. Wird der Kopf nicht bedeckt, gibt er im Vergleich zum bekleideten Körper zwar überproportional viel Wärme an die Umgebung ab. Aber die Fläche ist im Verhältnis zum Körper zu klein, als dass hier am meisten Wärme verloren gehen könnte. Richtig ist: Kopf, Gesicht und Brust sind kälteempfindlindlicher als andere Körperregionen. Deshalb bedürfen sie eines besonderen Wärmeschutzes. Genauso wichtig: Der Rumpf sollte unbedingt warm gehalten werden, denn hier sitzen – abgesehen vom Gehirn – die lebenswichtigen Organe. Wenngleich wohl noch niemand wegen kalter Finger oder Füßen erfroren ist, so ist es dennoch für Kiter sicherheitsrelevant, auch die Extremitäten vor Kälte zu schützen. Wer schon einmal versucht hat, mit steifen Fingern den Adjuster zu bedienen, kennt das Problem. Ist man bereits in einem Stadium, in dem man die Bar kaum noch halten kann, gibt es nur noch eine Option: Auf direktem Weg zurück zum Strand und den Kite schleunigst landen. Dasselbe gilt für die Füße: Wer das Board nicht mehr ordentlich spürt, kann es auch nicht mehr führen. Höhelaufen gerät dann zur Qual.
Was im ersten Moment abschreckend klingt, lässt sich allerdings mit einigen praktischen Helferlein in den Griff bekommen.
Und dafür muss man kein Vermögen investieren. Nahezu jeder Neoprenhersteller bietet neben Anzügen in verschiedenen Materialstärken auch die passenden Accessoires, mit denen sich der Temperaturbereich des Anzugs erweitern lässt. Wer nicht drei verschiedene Anzüge kaufen möchte, behilft sich mit dem Zwiebel-Prinzip: Als unterste Schicht dient ein dünner Neopren-Unterzieher. Je nach Kälteempfindlichkeit empfi ehlt sich eine Materialstärke von 0,5 bis 1,5 Millimeter. Für besonders kalte Tage gibt es Modelle mit einer wärmereflektierenden Beschichtung auf der Innenseite. Ob man die Haube lieber separat dazu kauft oder sie im Unterzieher oder Neoprenanzug integriert ist, bleibt Geschmackssache. Nur ohne Haube geht es nicht.
„Wir als Mädels schrecken vor kalten Wintersessions nicht zurück. Im Gegenteil: Was gibt es besseres als die Spots für sich zu haben? Wir lieben es, deshalb bietet sich gerade die Off-Season für uns an, um Gas zu geben. Das sind dann meist auch sehr intensive Sessions, da man versucht, so schnell wie möglich alle Tricks abzuspulen und nicht zu crashen! Denn das würde „Brainfreeze“ bedeuten. Zudem wärmt man sich im Winter viel intensiver auf. Und das Licht im Winter ist so schön! Perfekt für Foto- und Videosessions! Allerdings muss man auch auf die Risiken achten. Gerade im Winter kommt der Körper schnell an seine Grenzen.“
Jocy Kotulla, Gründerin Josea Surfwear
Der Neo sollte für den Wintereinsatz nicht dünner als 5mm im Rumpfbereich sein. Tapes auf den Nähten reduzieren das Eindringen von Wasser. Über dem Neo kann man als dritte Schicht eine dünne winddichte Jacke ziehen, die den Windchill reduziert. Die vom Wind verursachte Verdunstungskälte ist der größte Faktor für den Wärmeverlust. Noch wärmer, aber gleichzeitig auch teurer, sind Neopren-Jacken oder Hoodies. Sie können als Überzieher am Strand während des Kiteaufbaus oder der Pause getragen werden, um nicht schon vor der Session auszukühlen. Dazu gibt es viele Modelle mit einer Öffnung für den Trapezhaken, sodass sich das Teil auch über dem Trapez auf dem Wasser tragen lässt. Aber Achtung: Bei einem Sturz läuft Wasser zwischen Jacke und Neo. Dadurch wird man kurzzeitig deutlich schwerer, aber vor allem schränkt das die Schwimmfähigkeit dramatisch ein. Man fühlt sich dann, als würde man versuchen, mit einem Pullover beim Schwimmwettbewerb durchs Becken zu kraulen. Hände und Füße sollten möglichst wasserdicht und warm verpackt werden. Dazu eignen sich hochgeschlossene Neopren-Handschuhe und Booties. Die Crux dabei: Wählt man Handschuhe und Schuhe zu dick, kann man die Bar nicht mehr ordentlich greifen oder kommt nicht mehr in die Fußschlaufen. 2-3mm Neoprenstärke bei den Handschuhen und 5-6mm bei Schuhen sind ein Richtwert, den man nicht überschreiten sollte.
Quelle Infografik: beyondsurfing.com
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