Zusammenfassung: Red Bull King of the Air 2021 - Tag 1
Fotos: Red Bull Content Pool / Tyrone Bradley, Craig Kolesky, Paul Ganse
Neuer Termin, neue Gesichter, neuer Sponsor: Das Setting für Red Bull King of the Air 2021 war vielversprechend, um eine gute Show beim größten Kite-Event der Welt zu liefern. Nachdem das Krönungszeremoniell im Frühjahr Corona-bedingt abgesagt werden muss, pilgerte die Big-Air-Community in diesem Herbst ungewöhnlich früh nach Mother City. Viele Rider trafen erst kurz vorm Eventbeginn ein, dementsprechend entfielen das lange Vorgeplänkel und das inoffizielle Kräftemessen während der ein oder anderen Trainingssession am Kitebeach der letzten Jahre. Umso spannender war also, wer während des Sommers auf der nördlichen Hemisphäre wie stark an seinem Big-Air-Game feilen konnte.
Ein paar Dinge waren natürlich im Vorfeld so klar wie der Blick auf den Tafelberg: Liam Whaley reiste mit seinem Sieg bei den Cold Hawaii Air Games in der Tasche und dementsprechend breiter Brust als Favorit an. Der Ex-Freestyle-Champion trainiert schon lange darauf hin, seine üppige Trophäensammlung um die begehrte, südafrikanische Holzmaske zu erweitern. Vermutlich wird der Druck nicht gerade kleiner, wenn mit Porsche der eigene Sponsor nun auch als Hauptsponsor des KOTA vor Ort Flagge zeigt. Ein Sieg würde Liam also mehr als gut in den Kram passen. Und obwohl mit Vorjahressieger Jesse Richman, der seine Teilnahme per Social Media abgesagt und es damit begründet hatte, er wolle Platz für Newcomer machen, einer der stärksten Fahrer der Vorjahre nicht dabei sein würde, musste sich Liam trotzdem auf kräftigen Gegenwind aus dem Fahrerfeld gefasst machen. Allen voran musste man Janek Grzegorzewski auf dem Zettel haben. Buzzy Witzleben sagte schon vor Jahren vorher, dass der Bursche irgendwann im Big-Air den Ton angeben wird. Mit seiner Vorstellung beim Full Power Tarifa im Sommer hatte der junge Pole diese Prophezeiung eindrucksvoll untermauert. Dort hatte Janek auf dem Weg zum Sieg nämlich Liam im Halbfinale bezwungen – was dem strohblonden Spanier so gar nicht geschmeckt haben dürfte. Janek ist einer der Rider, die Contra-Loops – also Megaloops, die entgegengesetzt zur „normalen“ Rotationsrichtung über die vordere Hand also Downloop geflogen werden – als High-Score-Trick bei Contests etabliert hat.
Mit Steven Akkersdijk verzichtete ein weiterer Hochkaräter auf seinen Startplatz. Steven konnte den Event zwar nie gewinnen, war über die Jahre aber einer der konstantesten und in Summe erfolgreichsten Teilnehmer. Doch an hungrigem Nachwuchs mangelte es dem Fahrerfeld nicht. Mit Arthur Guillebert war der frisch gekührte Freestyle-Weltmeister am Start. Stig Hoefnagel aus den Niederlanden zeigte bereits bei den Cold Hawaii Games 2020 mit einem Platz auf dem Podium, dass er der Weltelite Paroli zu bieten weiß. Tom Bridge, der stets durch sein unkonventionelles Riding auffällt freute sich ebenfalls über einen Startplatz. Gemeinsam mit Edgar Ulrich, Giel Vlugt und Val Garat hatten sich die Newcomer fest vorgenommen, den KOTA-Veteranen das Leben schwer zu machen.
Große Namen gehören zum KOTA genau wie große Megaloops. Nick Jacobsen hoffte, dass Baby-Nick noch bis nach dem Event warten würde, bis es das Licht der Welt im heimischen Kopenhagen erblicken würde. The legendary Aaron Hadlow warf nach Platz 3 im Vorjahr seinen Hut genau wie Kevin Langeree noch einmal in den Ring. Marc Jacobs, von dem Kumpel und Teamkollege Jesse Richman im Vorfeld sagte, wenn er im Contest einmal so fahren würde, wie bei den Trainings-Sessions, könne er das Ding locker gewinnen, schielte genauso auf das Treppchen wie Lasse Walker. Lewis Crathern zählt man zwar nicht mehr zum erweiterten Favoritenkreis, doch scheint der Brite nach wie vor eine unbändige Freude daran zu haben, sich in den Himmel überm Bloubergstrand zu katapultieren. Darin steht ihm Josh Emanuel in nichts nach, der seine Kiteloops mit kurzen Leinen in letzter Zeit auf ein unfassbar radikales Niveau geprügelt hat. Das bringt zwar beim KOTA mangels Sprunghöhe leider keine Punkte, sieht aber ziemlich gut aus. Mit Angely Bouillot war erfreulicherweise auch wieder eine Dame im Fahrerfeld vertreten, die den Herren der Schöpfung tüchtig in den Arsch treten wollte. In ebendiesen dürfte sich Local Hero und Woo-Weltrekordler Mike MacDonald gebissen haben, der sich während des Seeding-Heats kurz vor dem Event verletzte, sodass er seinen ersten richtigen KOTA-Heat gegen Nick und Angely nicht antreten konnte. Und dann war natürlich auch wieder Airton Cozzolino am Start. Als einziger Strapless-Rider im Fahrerfeld hat der GKA Kite Surf Champion wie ein Wahnsinniger in Tarifa trainiert, um es mit der Twintip-Fraktion aufzunehmen. Seine ernstgemeinten Ambitionen auf einen KOTA-Sieg hatte er uns gegenüber im Interview beim World Cup auf Sylt noch einmal bekräftigt (siehe KITE Ausgabe 5/21).
ERSTER SCHLAGABTAUSCH – RUNDE 1
Also auf in die Schlacht! Die Spielregeln sind bekannt und aus den Vorjahren bewährt. 70 Prozent Höhe und 30 Prozent Extremity – das Wort lässt sich leider beschissen übersetzen, deshalb lassen wir es bleiben – gehen in die Wertung ein. Die drei besten Tricks werden ergänzt durch einen Overall-Impression-Score, der schon häufig das Zünglein an der Waage war. Damit die ganze Gaudi nicht zu eintönig wird, sollten die Rider Vielseitigkeit an den Tag legen und neben Risiko, der technischen Schwierigkeit der Tricks, dem Style und einer sauberen Ausführung wurde auch auf die Innovationsfreude in Form von bis dato in Contests noch nie gezeigter Tricks und den Show-Faktor geachtet. Eine ganze Menge also, die man im Hinterkopf haben musste, wenn man sich zum König krönen lassen wollte.
Wir hatten schon Jahre erlebt, in denen die erste Runde eher einer Pflichtveranstaltung glich und allenfalls als Warm-Up für die Viertelfinal-Heats einzuordnen war. Doch hatte die 2021er KOTA-Ausgabe bereits früh die ersten Knaller und dicke Überraschungen im Programm. Während viele der Favoriten an Tag 1 ihre Rolle solide bestätigen konnten, geriet der ein oder andere unerwartet früh unter Druck. So zum Beispiel Kevin Langeree. Der hatte zwar die undankbare Aufgabe, im ersten Heat aufs Wasser zu müssen, während der Wind mit für KOTA-Verhältnisse sparsamen, rund 25 Knoten noch Luft nach oben lies. Doch kam Landsmann Stig damit einen Hauch besser zurecht und sicherte sich dank eines etwas besseren Impression Score mit einem hauchdünnen Vorsprung den direkten Weg in Runde 3. Kevin musste den für ihn ungewohnten Umweg über die Loosers Round 2 einschlagen. Nichts anbrennen lies dagegen Liam im zweiten Heat des Tages. Zwar trauten einige ihren Augen nicht, als zwischenzeitlich der Name Cozzolino ganz oben auf dem Scoreboard aufleuchtete, weil der wie ein Wahnsinniger Strapless Megaloops rausballerte und davon sogar etliche in dem rumpelnden Chop stehen konnte. Doch Liam konterte mit seiner ganzen Routine, einem mächtigen Boogieloop, Backroll Kiteloop Boardoffs und einem sauberen Kung Fu Pass. Edgar Ulrich hatte dagegen in diesem Heat nicht sonderlich viel zu melden.
Einigermaßen vorhersehbar war das Geschehen in Heat 3. Aaron Hadlow fuhr wie gewohnt taktisch und mit Blick auf die Judging-Kriterien. Weil der Wind immernoch mehr Doktörchen als richtiger Cape Doctor war, holte er einen ungebrandeten Prototypen aus dem Kitebag. Fünf Struts, hohe Streckung – das verspricht Höhe und Airtime. Aaron fuhr sicher, setzte seine Loops aber größtenteils ziemlich hoch an. Josh scheuchte seinen 10er Nexus dagegen in ungleich radikaleren Winkeln tief durch die Kreisel und kombinierte das mit sehenswerten Boardoffs und Rotationen, doch wegen seiner geringeren Höhe und der niedrigeren Overall Impression hatte er das Nachsehen. Freestyle-Weltmeister Arthur Guillebert schnupperte zwar mit einem ordentlichen Boogieloop kurz Höhenluft und bewies, dass auch diejenigen, die eigentlich das ganze Jahr in Boots stecken, wissen, wie Kiteloop Boardoffs funktionieren. Doch wirklich gefährlich konnte er den beiden Routiniers damit nicht werden.
YOUNGSTER MIT TITELAMBITIONEN
Zum ersten dicken Wow-Moment kam es in Heat 4. Janek Grzegorzewski legte erst beeindruckend und wenig später atemberaubend los gegen Lewis Crathern und Val Garat. Erster Trick: Frontroll Contraloop Boardoff mit zwei Rotationen beim ersten Versuch. Spätestens jetzt war die Crowd am Strand so richtig wach. Den soliden Vorsprung sicherte er mit einer Backroll Kiteloop Boardoff ab. Val fuhr zwar ordentlich, wurde aber als erster herausgeflaggt, sodass nur noch Lewis übrig blieb. Der versuchte mit seinem vorletzten Trick, einer gegrabbten Backroll mit Kiteloop, den Abstand auf den Polen zu verkürzen, doch der antwortete prompt, und zwar mit einem „First Ever“ im doppelten Sinne. Einen Frontroll Contraloop Boardoff mit vier Rotationen hatte zuvor noch nie jemand in einem Contest gezeigt. Das Premieren-Manöver war den Judges dann auch schwindelerregende 9,4 Punkte wert – der höchste Einzelscore, der bisher in der gesamten KOTA-Historie für einen Trick gegeben wurde.
Kommen wir zurück zu Marc Jacobs und erinnern uns daran, was Jesse über ihn gesagt hatte. Der Neuseeländer hatte es in seinem Heat mit Lasse Walker und Giel Vlugt zu tun. Und schon nach den ersten beiden gestanden Tricks bekam man ein gutes Bild davon, was Jesse meinte. 7,62 Zähler für einen Doobie-Loop, gefolgt von einem Boardoff Contraloop, der ihm sogar eine 7,83 einbrachte – beides mit extremer Power und guter Höhe durchgezogen, damit war eigentlich bereits klar, dass Marc geradewegs in Runde 3 durchrutscht. Doch ließ er es damit noch längst nicht gut sein und hängte unter anderen einen, wenn auch etwas verstokelten, Dangle-Pass sowie eine ganze Reihe spektakulärer Megaloop-Varianten dran. Zwar ist es eigentlich wurscht, wieviele Tricks man während eines Heats versucht, weil eh nur die besten drei Zählen, doch sollte man als Zeichen seiner Konsistenz erwähnen, dass er von zwölf versuchen lediglich einen crashte und mit fast allen anderen mehr als ordentliche Scores einfuhr. Das schaffte in ähnlicher Form nur Aaron Hadlow, der zehn von zehn Tricks landete. Lasse konnte dem mit Ausnahme einer Grabbed Late Backroll mit fettem Megaloop nicht viel entgegensetzen. Giel Vlugt musste als erster nach acht Minuten das Feld räumen.
Sichtlich entspannt ließ es Nick Jacobsten im letzten Vorrunden Heat angehen. Weil sich Mike MacDonald schon vorher unglücklich aus dem Geschehen nahm, musste sich der Däne gegen die einzige Dame im Feld behaupten. Die Französin dürfte ihren heftigen Crash vom letzten KOTA nicht vergessen haben, startete aber wie gewohnt resolut in ihren Heat, der für sie und die Zuschauer erneut mit einer Schrecksekunde begann. Denn nach ihrem erseten Megaloop krachte sie mit voller Wucht bei der Landung in die Wellen. Der Einschlag sah übel aus, doch sie konnte weiterfahren und berappelte sich schnell. Eine Late Backroll mit Kiteloop sowie eine ordentliche doppelt rotierte Kiteloop Backroll ließ ihre Fans am Strand jubeln, doch wirklich in Bedrängnis brachte sie Nick damit nicht. Der bewies Sportsgeist, feuerte seine Kontrahentin an, brachte ihr nach einen Crash ihr Board zurück und ging derweil selbst kein Risiko ein. Ihm reichten ein Kiteloop Boardoff und ein gegrabbter Boogieloop zum lockeren Weiterkommen in Runde 3. Und damit beendete er einen durchaus unterhaltsamen ersten Contesttag.
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