Ratgeber: Wind und Wetterwetterkarten verstehen
Wind bedeutet Faszination, eine gute Zeit auf dem Wasser – und er darf dabei gern auch mal Sturmstärke erreichen. Wie ihm das gelingt und wie du den nahenden Spaßgarant frühzeitig auf der Wetterkarte identifizieren kannst, erläutert Wetterexpertin Sabine Schmidt.
Text: Sabine Schmidt
Fotos: Willow-River Tonkin, Thomas Burblies, Ydwer van der Heide/Red Bull Content Pool
Die Dynamik der Atmosphäre beeinflusst das tägliche Wetter, das Klima und zwangsläufig auch unsere Aktivitäten. Insbesondere Natur- und Wassersportarten sind abhängig von Wind und Wetter. Kitesurfer stehen auf Wind, am liebsten natürlich gepaart mit Sonne. Je höher sich der Zeiger auf der Beaufortskala schraubt, umso größer die Nervosität. Die meisten Sturmlagen treten in unseren Gefilden allerdings in den Wintermonaten auf. Das ist der Temperaturverteilung in der Atmosphäre geschuldet. Denn Wind ist das Ergebnis unterschiedlich temperierter Gebiete. Je höher die Sonne am Äquator klettert und dort einheizt, je länger sie am Nordpol verschwunden ist und die Temperaturen so in den Keller rauschen lässt, umso größer ist der Temperaturunterschied zwischen Äquator und Pol. Und je schärfer dieser Temperaturgradient zwischen zwei Luftmassen ausfällt, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Zeichen auf Sturm stehen.
Treten Diskrepanzen in der Atmosphäre auf, insbesondere bei den Temperaturen, dann entsteht – als direkte Folge des Aufeinandertreffens unterschiedlich temperierter Luftmassen – Wind. Tauchen im Wetterbericht Begriffe wie Hoch- und Tiefdruckgebiet auf, sind die Druckverhältnisse am Boden gemeint. Dort finden sich jedoch nicht die Taktgeber unserer Wettersinfonie. Der Dirigent für das Orchester am Boden sitzt über unseren Köpfen. Die Initialzündung für Sturm am Boden wird in der oberen Troposphäre gesetzt. In einer Höhe von acht bis 12 Kilometer tanzt ein starker Strom namens Jet-stream- (Jet), in Wellen um den Globus.
Dieses mehrere Hundert Kilometer breite und nur wenige Kilometer hohe Band ist das Ergebnis globaler Ausgleichsströmungen zwischen warmer und kalter Luft. Die Struktur des Starkwindbandes wird dabei durch Kaltluftvorstöße vom Nordpolarmeer in den Süden und starke Warmluftzufuhr aus Richtung Äquator bestimmt.
Wenn sich eine Region zum Beispiel in einem Wellental befindet, der sogenannten Troglage, verbunden mit hohen Windgeschwindigkeiten im Jetstream, also einer intensiven Strömung, ist in diesem Bereich mit der Ausbildung von Tiefs am Boden (Polarfrontzyklone) zu rechnen. Die intensivsten Tiefdruckgebiete bilden sich dabei auf der Vorderseite eines Höhentroges, und zwar im Bereich der größten Warmluftzufuhr, dort wo die meiste Luft zum Aufsteigen gezwungen wird und der größte Temperaturgradient zur kalten Luft polaren Ursprungs besteht. Oftmals ist diese Konstellation mit raschen Wetterwechseln verknüpft. Im Bereich eines Wellenberges bzw. Höhenrückens dominiert wiederum schönes Wetter (Hochdrucklage) das Tagesgeschäft. Unter Zuhilfenahme der aktuellen Strömungsrichtung, die häufig ein paar Tage, unter Umständen auch einige Wochen anhält, lässt sich leicht ein Witterungstrend ausmachen. Dabei steht eine nordwestliche Strömung für feuchtes, kühles und windiges Wetter. Kommt die Strömung aus Südwest, werden wärmere Luftmassen herangeführt. Läuft der Jet über den Nordatlantik und Mitteleuropa hinweg, können sich immer wieder Tiefdruckgebiete bilden. Diese haben Wind an Bord und können im Fahrwasser des Starkwindbandes Kurs auf die deutschen Küstengebiete nehmen. Umschifft uns der Jet hingegen und wählt sich eine Zugbahn weiter im Norden, stellt sich hierzulande eine blockierende Wetterlage, in Form eines sehr ausdauernden Hochs, ein. Diese sogenannte Omegalage ist von Strandnixen heiß begehrt. Wassersportler, Windverrückte und die Landwirte stöhnen, sobald ihr Name fällt. Liegt das Omega über Nordwesteuropa, stellt sich über Deutschland eine muntere Nordwestströmung ein.
Doch es gibt auch noch andere Indizien, an denen wir Windtrends ablesen können. Befindet sich ein starkes Tief über Island und ein kräftiges Hoch über den Azoren, stellt sich Westdrift ein. Anhand der Konstellation beider Druckgebilde zueinander,der -sogenannten- Nordatlantischen Oszillation (NAO), lassen sich für die kommenden Wochen durchaus Trends in Sachen Großwetterlage erkennen. Wenn sich das Azorenhoch verstärkt (Druckanstieg), verstärkt sich gleichzeitig auch das Island-Tief (Druckabfall). Solche Druckänderungen treten vor allem vom Herbst bis in das Frühjahr in bestimmten zeitlichen Abständen auf. Die Stärke der NAO wird durch einen Index klassifiziert. Er ist definiert durch die Differenz der Druckabweichung von den jeweiligen mittleren Luftdruckwerten an der Station Ponta Delgada (Azoren) und Stykkisholmur (Island). Ein großer (positiver) NAO-Index geht einher mit kräftigen Westwinden in den mittleren Breiten. Ein niedriger (negativer) NAO-Index hat abgeschwächte Westwinde zur Folge. Die NAO ist hauptsächlich im Winter ausgeprägt, lässt sich jedoch auch im Sommer bemerken. In den vergangenen Jahren bildeten sich zwei wichtige Änderungen im Verhalten der NAO ab: Es gab fast ausschließlich positive Indizes mit sehr großen Werten sowie eine Verlagerung der NAO-Zentren nach Osten. Vermutlich ist die globale Erwärmung hierfür verantwortlich. In Wintern mit stark ausgeprägter positiver NAO wird eine größere Anzahl von Tiefdruckgebieten über dem Atlantik beobachtet als während einer schwächer ausgeprägten, niedrigen (negativen) NAO-Phase. Ihre Zugbahnen sind dann auch mehr in Richtung Nordeuropa (Schottland, Skandinavien) gerichtet. So wie im Februar dieses Jahres, als der bis dato stärkste Winterorkan in großen Teilen Norwegens wütete und reihenweise die Windrekorde zu Fall brachte. Im Gegensatz dazu stehen Saisons mit niedriger NAO, in denen die Zyklonen den europäischen Kontinent mehr im Süden (Portugal, Spanien, Mittelmeer) treffen.
Damit sind einige Voraussetzungen genannt, die auf Sturmentwicklungen hinweisen. Doch welche Phasen durchläuft ein solches Tief und wann kann der beste Wind von Kitern abgegriffen werden? Die Reise eines Tiefdruckgebiets beginnt oft mit einer Wellenstörung, einer Unregelmäßigkeit in der Strömung, die durch unterschiedliche Faktoren wie beispielsweise Temperaturunterschiede ausgelöst wird. Verschiedene atmosphärische Prozesse sorgen nun für eine Intensivierung der Wellenstörung und das junge Tiefdruckgebiet entsteht. Warme Luft steigt auf, kühlere Luft strömt nach, und es bildet sich ein Zentrum niedrigen Drucks. Dieser Prozess, auch Zyklogenese genannt, markiert den Übergang von einem jungen zu einem reiferen Tief. Die Jungphase eines Tiefs ist vergleichbar mit den ersten Atemzügen, dem tiefen Luftholen eines Sturms. Es ist der Beginn einer atmosphärischen Darbietung, bei der verschiedene Elemente zusammenkommen. Die Initialzündung ist gegeben und die Bühne für Sturm und Regen bereit. Während des Höhepunkts eines Tiefs erleben wir dann verschiedene Wettererscheinungen. Vorderseitig eines Tiefs verstärkt sich der Wind zunehmend, bis die Warmfront mit anhaltendem Regen eintrifft. Nachfolgend sorgt der Warmsektor für vorübergehende Ruhe. Die sich anschließende Kaltfront neigt zu intensiven Schauer- und Gewitteraktivitäten, begleitet von starken und böigen Winden. Die Reifephase eines Tiefs bildet den Höhepunkt und zeichnet gleichzeitig den Peak eines Sturms. In dieser Phase entfaltet sich die volle Wirkung des Tiefs, mit kräftigen Winden und heftigen Niederschlägen. Nach dem Brüllen kommt die Erschöpfung und das Tief beziehungsweise der Sturm schwächt sich allmählich ab. Das alternde Tief driftet schließlich in höhere Breitengrade oder über Land, verliert den Kontakt mit dem Energienachschub und löst sich schließlich auf. Dieser letzte Abschnitt markiert das Ende des Tiefdruckgebiets. Es verliert zusehends an Energie und Einfluss, bis es schließlich von der atmosphärischen Bühne verschwindet.
Fronten sind ganz entscheidend für die Wetterdynamik eines Tiefs. Eine Warmfront wird durch das Aufgleiten warmer Luft über kalte Luft verursacht und bringt anhaltenden, oft leichten Regen, der jedoch, je nach Dauer, sehr ergiebig sein kann. Vor dem Eintreffen der Warmfront nimmt der Wind schrittweise merklich zu. Die Bewölkung beginnt sich zu verdichten. Zunächst kündigt sich ein Tief mit hohen Schleierwolken an, die mit dem Annähern des Sturms immer tiefere Schichten erreichen und letztlich so tief und feucht sind, dass Regen aus ihnen fällt. Die Warmfront bringt den sanften Übergang von schönem Wetter hin zu trüben Stunden. Sie ist charakterisiert durch einen allmählichen Anstieg der Temperatur, zunehmender Bewölkung, einer schlechteren horizontalen -Sichtweite und beginnendem leichten, später anhaltendem Niederschlag. Weht der Wind vorderseitig häufig noch aus Südost, dreht er mit dem Eintreffen der Front immer weiter in Richtung der Front. In Mitteleuropa haben wir in diesen Fällen zumeist eine südliche Strömungsrichtung. Im der Warmfront nachfolgenden Warmsektor ist das Wetter mild und ruhig. Hier herrscht eine vorübergehende Stabilität, bevor die Kaltfront eintrifft. Sie bringt oft heftigen Regen oder Schauer. Der Wind dreht abrupt, erreicht seine höchste Intensität, und es können starke Böen auftreten. An Nord- und Ostsee spüren wir das Eintreffen der Kaltfront häufig durch einen Winddreher von Südwest über West auf Nordwest. Das Wetter ist zwar von Schauern und häufig auch Gewittern begleitet, jedoch prägen auch längere sonnige Abschnitte das Wettergeschehen. In der Kaltfront nimmt der Wind spürbar an Stärke zu. Die Erkennung von Fronten ist daher absolut elementar, um das Wettergeschehen zu verstehen und sich darauf vorbereiten zu können.
Doch wo und wann kann man in unseren Breiten denn zumindest statistisch nun am häufigsten mit Stürmen rechnen? Europa erlebt die Entstehung der meisten Tiefdruckgebiete im Winterhalbjahr, insbesondere von November bis März. Die vorherrschende Westwinddrift über dem Nordatlantik sorgt dann für ständigen Nachschub an wetteraktiven Tiefs. Insbesondere der Nordatlantik ist eine regelrechte Schmiede für Stürme, die dann Kurs auf Europa nehmen. Die westlichen Küstenregionen sind aufgrund ihrer Lage besonders exponiert. Die Britischen Inseln, Skandinavien, die Niederlande und Deutschland bekommen häufiger Besuch von Tiefdruckgebieten. In den Bergen kann dies zu intensiven Schneefällen -führen, während die Küstengebiete von heftigen Stürmen und hohen Wellen betroffen sind. Die Alpen sind -ebenfalls anfällig für die Entstehung von Tiefs, die mitunter kräftige Niederschläge und Schneefälle bringen. In den Sommermonaten nehmen die Tiefdruckgebiete über Europa ab, und es dominieren häufiger Hochdruckgebiete das Wettergeschehen. Dennoch können auch im Sommer Tiefs für -wechselhaftes Wetter -sorgen, -insbesondere in den küstennahen Gebieten, -weshalb es gut ist, sie frühzeitig auf der Wetterkarte zu identifizieren, um die nächste stürmische Session nicht zu verpassen.
Legende
Wolkengattungen
• Ci – Cirrus (hohe Eiswolken)
• Cc – Cirrocumulus
(hohe Eiswolken, Quellungen)
• Cs – Cirrostratus (hohe Eiswolken,
schichtförmig)
• As – Altostratus (mittelhohe -Schichtwolken)
• Ns – Nimbostratus (sehr dichte, massive Schichtwolken)
• St – Stratus (tiefe schichtförmige Bewölkung)
• Sc – Stratocumulus (auflockernde, quellende Schichtbewölkung)
• Ac – Altocumulus (mittelhohe -Quellbewölung)
• Cb – Cumulusnimbus (Gewitterwolke,
Schauerwolke, mächtige Quellwolke)
• Cu med – Cumulus mediocris
(mittlere Quellwolke)
• Cu hum – Cumulus humilis
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