Ein VW-Bus, zwei Typen, drei Grad Durchschnittstemperatur – wer der Kälte trotzt, hat im Frühjahr die Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern fast für sich allein. Ein Roadtrip entlang der Küste zwischen Salzhaff und Rügen.
Text: Arne Schuber / Fotos: Hans-Martin Kudlinski
Diesen Trip hatte ich schon länger geplant, aber irgendwie fehlte immer die Zeit dafür. Während der Sommermonate bin ich ständig in Norddeich, auf Fehmarn, in Kiel – an den typischen Hotspots eben. Das liegt an meinem Job. Weiter östlich als Lübeck komme ich leider nur selten. Früher, als ich gerade Kiten lernte, fuhr ich jedes Jahr mindestens einmal nach Rügen. Mit der Insel habe ich irgendwie eine besondere emotionale Verbindung. Wiek und Dranske sind einer der Gründe dafür, warum ich heute mein Hobby zum Beruf gemacht habe. Die Küste des Festlands dagegen war für mich bis auf wenige Ausnahmen Terra incognita. Gleichwohl weiß ich, wie fantastisch man dort kiten kann.
Anfang April klaffte in meinem Kalender für eine gute Woche eine der seltenen Lücken, in denen nicht irgendetwas mehr oder weniger Wichtiges ansteht. Obwohl das Thermometer noch im tiefblauen Bereich verharrte, fragte ich unseren Fotografen Hansi, ob er Bock auf eine Woche Roadtrip an die Ostsee hätte. Die Windvorhersage sah überragend aus: eine Woche strammer Ostwind am Stück und größtenteils gutes Wetter mit kalter, klarer Luft – besser kann man es zum Fotografieren nicht erwischen. Außerdem sind viele Spots um diese Zeit noch verwaist und die Touristen rücken garantiert nicht vor Ostern an.
Da sich unser Redaktions-Camper leider eine längere Wellnessbehandlung in der Werkstatt gönnen musste, baten wir kurzerhand bei Roadsurfer um Ersatz. Das junge Start-up aus München hat sich auf die Vermietung voll ausgebauter und noch dazu fast neuer VW-Busse und Mercedes Marco Polo spezialisiert. Volle Campingausstattung, Standheizung, sogar eine Dachbox haben sie.
Suboptimaler Start in Salzhaff
Kite-Zeug ins Auto laden, Hansi einsammeln und acht Stunden später rollen wir mitten in der Nacht auf den Wohnmobil-Stellplatz in Boiensdorf am Salzhaff. Der Platz liegt direkt am Kite-Spot und ist menschenleer. Wir gönnen uns das obligatorische Angekommen-Bier und ich gehe erst mal eine rauchen und draußen die Lage peilen. Es ist lausig kalt und fühlt sich an, als würden meine Finger an der Kippe festfrieren. „Na, das wird morgen sicher lustig“, sage ich zu Hansi. „Ja, und heute Nacht erst“, entgegnet er. Hansi hat beim Schnick-Schnack-Schnuck verloren und muss mit dem Schlafplatz im Aufstelldach vorliebnehmen. Ich möchte nicht tauschen.
Am nächsten Morgen brauche ich eine Extradosis starken Bialetti-Espresso, um wenigstens so etwas Ähnliches wie Motivation zu versprühen. Draußen ist es grau, fast windstill und immer noch arschkalt. Um mich aus dem warmen Bus hinaus- und in den kalten Neo hineinzuschälen, muss ich meinen inneren Schweinehund arg prügeln. Die gute Ostwind-Vorhersage hat sich leider um einen Tag nach hinten verschoben und wir wollen so viele Spots wie möglich schaffen. Ich zwänge mich in meinen dicken Sechsmillimeter-Neo und latsche unmotiviert mit zwei 15ern bewaffnet auf die Wiese der Kiteschule. Die Schule hat noch gar nicht offen. Überhaupt ist noch alles im Winterschlaf. Kein Wunder, bei dem bisschen Wind und den Temperaturen geht wohl niemand freiwillig kiten. Immerhin blinzelt die Sonne hin und wieder durch die Wolkendecke. Ich spüre, wie etwas Wärme von außen durch den dicken Neo drückt, und baue auf. Zehn Knoten sind grenzwertig wenig für einen 100-Kilo-Mann in Wintermontur und mit kleinem Twintip, aber da Hansi die Kamera im Anschlag hat, will ich nicht herumheulen. Die ersten Schläge pflüge ich downwind durch das seichte Wasser. Immerhin kann man überall ganz entspannt stehen und auf die nächste Bö warten. Der Spot an sich hat alles, was man braucht: flaches Wasser, viel Platz, eine Wiese zum Aufbauen, Parkplätze, sogar einen Wohnmobil-Stellplatz und Toiletten. Nur ist mir das alles ohne Wind an diesem Tag leider herzlich egal. Der Wind pendelt permanent an der Kotzgrenze, für einen Augenblick geht es, danach ist der Druck wieder weg.
Das Fotografieren ist mühselig, aber Hansi bleibt geduldig, ich ausdauernd und gemeinsam schaffen wir es, ein paar brauchbare Bilder in den Kasten zu bekommen. Dann frischt der Wind plötzlich auf und für einen Moment habe ich tatsächlich Spaß auf dem Wasser. „Lohnt sich, Wind passt jetzt“, belabere ich Hansi, sich auch in den Neo zu schmeißen. Zu zweit zu kiten macht einfach mehr Spaß. Er ist vom Fotografieren halb erfroren, nicht zum letzten Mal in dieser Woche, ringt sich aber doch dazu durch, meinem Ratschlag zu folgen. Als er fertig eingepackt wieder auf der Wiese steht, kackt der Wind ab. Wir eiern fluchend für weitere 20 Minuten im kalten Wasser herum und geben schließlich entnervt auf. Was für ein beschissener Start in den Trip! Für meine schlechte Laune kann Boiensdorf nichts, aber den ersten Tag hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.
Wir folgen der Küste nach Nordosten, fahren über winzige Landstraßen und durch halb verlassene Dörfer. Ich weiß nicht, ob hier früher schon so wenig los war oder es ein lebloses Beispiel von Landflucht ist. An der schönen Landschaft liegt es sicher nicht. Die Alleen sind von alten Bäumen eingerahmt, weitläufige Felder überziehen die sanften Hügel und romantische, alte Gehöfte wechseln sich mit Bausünden aus der Zeit vor der Wende ab. Da wir Kohldampf schieben, stoppen wir in Neubukow. Hier hat zumindest ein Restaurant geöffnet. „Schnitzel- und Steakhaus“ steht an der Tür. Die Bedienung schaut uns ungläubig an, als wir fragen, ob die Küche noch geöffnet sei. Es ist kurz nach acht, der Laden ist gähnend leer – für Restaurants kein Qualitätsmerkmal. Entsprechend merkwürdig muten die Schnitzelkreationen an, die sich ein Koch mit zweifelhaftem Gaumen ausgedacht haben muss. Hansi versucht sich am Pizza-Schnitzel, ich habe auch etwas auf dem Teller, von dem ich glaube, dass es ein Schnitzel sein soll. Lecker geht anders, aber Hauptsache satt.
Kägsdorf: Holzhacken beim Zuparken
Für die Nacht steuern wir Kägsdorf an. Ich war dort vor Jahren mal zu Besuch beim Zuparken-Festival, eine Veranstaltung des Rostocker Kiteshops Supremesurf und der gleichnamigen Schule. Einmal im Jahr parken dort Tausende Busse den Strand zu, daher der Name. Es wird gesurft, gefeiert, gesoffen – die drei Tage sind mir im Gedächtnis geblieben, von den Nächten fehlen mir vielleicht ein paar Erinnerungen. Am nächsten Morgen werden wir von lautem Geklapper geweckt. Ein paar Meter neben unserem Bus steht ein Typ, der aus unerfindlichen Gründen Holz hackt. „Was macht der Penner da?“, raune ich verschlafen zu Hansi. Der Typ hat neben dem stattlichen Holzhaufen allerlei undefinierbares Gedöns auf einen Handkarren geschichtet und schleppt die ganze Ladung vor zum Strand.
Da das Wetter gut ist und der Wind endlich auffrischt, machen auch wir uns startklar. Wieder bin ich der Einzige auf dem Wasser. Und dieses Mal lohnt es sich wirklich – trotz der Kälte. Der Spot in Kägsdorf liegt an einem langen, etwas steinigen Sandstrand direkt neben dem Parkplatz. Im Sommer kann es hier an guten Tagen voll werden. Besonders bei starkem, anhaltendem Südwest bauen sich an der vorgelagerten Sandbank hübsche Wellen auf. Jedoch ist der Spot nichts für Anfänger. Das Wasser wird schnell tief, die Wellen können einen ungemütlichen Shorebreak verursachen und bei Nordost sollte man nicht zu viel Höhe vernichten, denn kurz hinter dem Parkplatz hört der Strand auf und geht in eine flache Felsküste über. Ich genieße bei guten 15 Knoten aus Nordost das überraschend flache Wasser. Der Wind hatte noch nicht ausreichend Zeit, die Ostsee in eine holprige Kabbelpiste zu verwandeln. Das entschädigt für die nervtötende Plackerei vom Vortag!
Auf dem Rückweg zum Auto treffen wir erneut auf den Holzhacker. Mitten auf dem Strand steht ein winziges Zelt, aus dessen Dach ein kleiner Schornstein emporragt. Rauchwölkchen puffen in die kühle Morgenluft. „Krass, das ist eine Sauna!“, kommentiere ich verdutzt das Offensichtliche. Durchgefroren wie ich bin, erscheint mir das dampfende Kästchen so verlockend wie für Hänsel und Gretel das Lebkuchenhaus und ich gehe ein paar Schritte näher. Hin und wieder verfluche ich meine Neugier: Durch das winzige, von Feuchtigkeit beschlagene Fenster lacht mich der üppig behaarte Allerwerteste des Holzhackers an, der offenbar gerade den Ofen neu befeuert. Mein Verlangen nach Hitze und Schweiß löst sich schlagartig in Luft auf.
Heiligendamm: schneeweiße Kite-Kulisse
Nur eine halbe Auto-Stunde von Kägsdorf scheint die Welt eine andere zu sein. Beseelt von der Einsamkeit und Ostsee-Idylle biegen wir nach Heiligendamm ein. Ich kannte den Ort nur aus der Berichterstattung über den G8-Gipfel und mir hängen noch die Bilder im Gedächtnis, wie sich aufsässige Demonstranten und die überforderte Polizei ein irres Katz-und-Maus-Spiel rund um den winzigen Ostsee-Ort lieferten, während innerhalb der Hochsicherheitszone Merkel, Putin und Bush Häppchen knabberten und in Kameras lächelten. Die schneeweißen Prachtbauten, das pompöse Luxushotel und die mondänen Cafés wirken auf mich in der ansonsten idyllischen Natur irgendwie deplatziert. Es sind ins Hier und Jetzt gerettete Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit, als die Seebäder der Ostsee noch den gesamten (Geld-)Adel des Kaiserreichs zum kollektiven Planschvergnügen beherbergten. Von diesen Seebädern gibt es einige, Heiligendamm ist das älteste und sicher auch das schneeweißeste. Das kann man mögen oder nicht, doch ich muss zugeben: Vom Wasser aus betrachtet hat die unwirkliche Kulisse ihren Reiz.
Wir parken kurz vor der Kiteschule in Heiligendamm, um uns ein paar Infos von den Locals zum Spot einzuholen. Doch auch hier: niemand da. Wir sind allein am Strand. Obwohl der Himmel immer blauer und der Wind stetig stärker wird, will uns niemand Gesellschaft leisten. Wir halten uns artig an die Regeln und laufen die paar Meter vor zur Kitezone, die direkt neben dem Hundestrand liegt. Vermutlich wäre es heute egal, aber sicher ist sicher. Der Nordostwind kommt in Heiligendamm stärker side-onshore an als in Kägsdorf. Ostnordost oder Westsüdwest wäre genau sideshore. Allzu auflandig sollte es hier nicht blasen, denn am Ufer sind alle 50 Meter Buhnen eingeschlagen, die den Aktionsradius spürbar eingrenzen. Da der Stehbereich nicht groß ist, sollte man sich beim Wasserstart nicht zu dämlich anstellen. Hinter den Buhnen beginnt dann die großzügige Spielwiese. Das Wasser ist klar und man kann die Sandbänke erahnen, über denen sich bereits die ersten Wellen auftürmen. Obwohl der Wind erst seit dem Vormittag zugenommen hat, schälen sich bereits schöne Rampen hüfthoch aus dem Wasser. Ich vermisse zum ersten Mal mein Directional, das aus Platzmangel kurz vor der Abreise wieder aus dem Bus geflogen ist. Wenn es hier länger richtig ballert, ist Heiligendamm ein vorzügliches Wave-Revier.
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Kühlungsborn: Petri heil versus Hang loose
Dasselbe gilt für den bekannten Nachbarort, das Ostseebad Kühlungsborn. Auch hier trifft sich an starken West- oder Ostwindtagen die eingeweihte Wave-Gemeinde. Geparkt wird mitten im Ort auf dem öffentlichen Parkplatz Tannenstraße. Von dort sind es nur ein paar Minuten zu Fuß bis zum weitläufigen Sandstrand. Obwohl ich schon zwei Sessions an diesem Tag in meinen durchgefrorenen Knochen habe, baue ich noch einmal auf. Die Wellen draußen sehen einfach zu verlockend aus. Da der Strand im Frühjahr Anglerhochburg ist, habe ich etwas Mühe, beim Hinauskreuzen nicht in einer Angelschnur hängen zu bleiben. Ebenso wenig erfreut scheinen die Angler über unseren abendlichen Besuch. 200 Meter vor dem Ufer laufen die Wellen noch etwas größer und sauberer als in Heiligendamm und so weit draußen wird schon keiner der Fritzen frischen Fisch fischen. Der Strand ist genauso schön wie in Heiligendamm: feiner Sand, so weit das Auge reicht, und alles voller Buhnen. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, findet in Kühlungsborn ein erstklassiges Wave-Revier.
Wer nach der Session einen Drink oder etwas wirklich Gutes zu essen vertragen kann, kehrt im feels Beach Club Hotel direkt neben dem Parkplatz ein. Das bunte Haus fällt bei dem ansonsten biederen Antlitz des Ostseebads sofort ins Auge. Wir bleiben an einer der offenen Feuerstellen vor der Tür hängen und kommen zufällig mit dem Wirtsehepaar ins Quatschen. Er: ehemaliger Plattenproduzent, der seine goldenen Schallplatten als Restaurant-Deko zweckentfremdet hat. Sie: Beraterin für Gastro-Gewerbe. Mit dem „feels“ wollen sie der Rentnerschwemme in den Ostseebädern ein cooles Konzept für die jüngere Zielgruppe entgegensetzen. Sogar Kitekurse sind schon in Planung. Wir finden es gut und bleiben zum Essen, das eine höchst willkommene Abwechslung zu Pizza-Schnitzel oder Fertignudeln aus der Bulli-Küche darstellt.
Hansi und ich sind uns beide einig, dass wir eine Dusche vertragen könnten, und möchten uns bei der Gelegenheit für eine Stunde oder zwei in einem blubbernden Whirlpool gar köcheln lassen. In Warnemünde legen wir eine kleine Planschpause im örtlichen Hallenbad ein, bevor wir uns einen Stellplatz für die Nacht suchen. Leider ist das Wetter am nächsten Morgen überraschend mies. Mittlerweile schneit es kleine Flocken und der Wind zickt herum. Notgedrungen streichen wir den Kite-Spot Warnemünde von der Liste. Heute haben nur die Surfer ihren Spaß, die nach dem Fahrplan der großen Fährschiffe die an den Strand brandenden Fährwellen reiten.
Zingst: Deutschlands schönste Landzunge
Je weiter man auf der Windkarte Richtung Darß hinaufscrollt, desto besser sieht der Wind aus. Für Neuhaus, Dierhagen, Wustrow und Ahrenshoop hat die Windrichtung bereits zu weit auf Ost gedreht. Die Spots liegen jetzt in der Abdeckung. Gekitet wird dort nur auf der offenen Ostsee, die Boddenseite ist leider tabu. Dafür kann man in der Ecke mit etwas Glück und bei starkem Südwestwind sensationelle Wellen abstauben. Für Ostwind sind die Spots allesamt nichts, also fahren wir weiter den Darß hinauf, bis die Küste kurz vor Prerow einen Knick macht. Ab diesem Punkt kommt der Wind ungehindert durch und bläst kräftig sideshore. Weil die meisten Flachwasser-Spots der Region am Bodden liegen und besser bei westlichen Richtungen funktionieren, entscheiden wir uns für Zingst und Prerow, zwei weitere Spots an der offenen Ostsee. Beide Orte liegen nur eine Viertelstunde voneinander entfernt.
Der Spot in Zingst befindet sich am Ortsausgang beim Strandübergang 6. Direkt hinter der Düne steht die Kiteschule mit einem eigenen Park- und Wohnmobil-Stellplatz, einem kleinen Shop und einer Bar. Dass man hier direkt am Spot im Bus pennen kann, ist ein echter Pluspunkt. Das sehen offenbar auch andere so, denn wir sind zum ersten Mal seit Tagen nicht allein auf dem Wasser. Ganze vier Kiter tummeln sich in den kabbeligen Ostseewellen. Auf Buhnen muss man auch hier aufpassen, ansonsten präsentiert sich Zingst als typischer Ostsee-Spot mit feinsandigem Strand und viel Platz. In der Hochsaison sollte man allerdings ausreichend Abstand zu den zahlreichen Badegästen halten, wenn man Ärger vermeiden möchte. Der Wind hat mittlerweile weiter zugelegt und ich bin mit einem Zwölfer gut angeblasen. Zum Springen passt die Windrichtung leider nicht wirklich. Die kurzen Wellen und das kabbelige Wasser dazwischen machen es schwierig, einen brauchbaren Absprungpunkt zu treffen. Ich muss volle Möhre auf die Buhne draufhalten, um im letzten Moment kurz davor abzuspringen. Außer mir ist dort noch ein anderer Kiter am Werke, der das Timing besser draufhat als ich und mit seinem GTS schöne Loops zwischen die Buhnen zimmert. Ich bleibe nur eine Dreiviertelstunde auf dem Wasser, denn die Kälte und die Kabbelpiste setzen meinen Knien gehörig zu. Spaß macht die Session trotzdem.
Prerow
Etwas weitläufiger und ohne störende Buhnen liegt der Spot in Prerow an einer lang gezogenen Bucht. Vom Parkplatz aus laufen wir durch eine skurril anmutende und etwas aus der Zeit gefallene Feriensiedlung zum Strand. Kurz vor dem Strandaufgang befindet sich die Kiteschule, die – wenig überraschend – noch im Winterschlaf verharrt. Man muss zwar sein Zeug ein paar Hundert Meter weit auf den Strand schleppen, doch es lohnt sich. Denn Prerow punktet mit enorm viel Platz am Strand und noch mehr Platz auf dem Wasser. An dem riesigen Spot tummelt sich heute nur eine Handvoll Kiter. Doch auch wenn es im Sommer voller wird, dürfte man sich nicht allzu sehr im Weg herumfahren. Gerade bei östlichen Windrichtungen bietet Prerow auch weniger versierten Kitern viel Sicherheit, denn man kommt aufgrund der lang gezogenen Bucht immer wieder am Strand an. Zudem fällt der Strand hier seichter in die Ostsee ab. Das schafft nicht nur einen größeren Stehbereich, sondern die Wellen laufen auch flacher und weniger kabbelig als nebenan in Zingst bei gleicher Windrichtung.
Der Darß gehört für mich zu den schönsten Flecken Deutschlands. Keine Ahnung, wieso ich vorher noch nie dort war. An den langen, feinen Sandstränden haben wir uns mittlerweile fast sattgesehen. Das eigentliche Highlight ist für mich die dünne Landzunge zwischen Bodden und Düne. Die kleinen Orte wirken – trotz Tourismus – irgendwie unwirklich verträumt mit ihren Reetdachhäuschen und den üppigen Uferwiesen. Vermutlich ist es hier im Hochsommer vorbei mit der Gemütlichkeit, aber jetzt im April finde ich es großartig. Und für Kiter ist der Darß ein Eldorado. Eine so große Spot-Auswahl – von Flachwasser bis Welle und für alle Könnensstufen geeignet – auf so kleinem Raum, das gibt es in Deutschland nur selten. Fehmarn dürfte eine ähnlich hohe Spot-Dichte haben, aber Einsam-Kite kann man sich dort abschminken, egal zu welcher Jahreszeit.
Planänderung
Die Windvorhersage bleibt bei strammem Ostwind für die nächsten Tage. Eigentlich wollten wir noch mehr Spots rund um den Saaler Bodden abgrasen, doch langsam gehen uns die Alternativen aus. Für Westwind wäre die Auswahl größer. Da trifft es sich gut, dass mich Clemens antextet. Wir kennen uns aus Hamata und haben uns eine Weile schon nicht mehr gesehen. Er ist seit zwei Tagen auf Rügen am Rosengarten und fragt, ob wir vorbeikommen wollen, den Rum hätte er schon kalt gestellt. Etwas Kaltes zu trinken ist zwar aktuell so ziemlich das Gegenteil von dem, was ich möchte, aber die Gleichung Rügen plus Ostwind plus Rosengarten lässt für mich kein anderes Ergebnis zu: Für den zweiten Teil der Geschichte ändern wir die Route. Insgeheim möchte ich meiner alten Kite-Heimat Rügen schon lange mal wieder einen Besuch abstatten.
Infos zu Roadsurfer
Fahrzeuge: VW T6 California und Mercedes Benz Marco Polo
Fahrzeugklassen/Ausstattung: Vom Basic Camper bis zur voll ausgestatteten Luxusversion mit elektrischem Hochdach oder wahlweise Dachzelt, Standheizung (hat uns den Arsch gerettet), Küche, Klappbett, Tisch, Drehsitze und Campingtisch mit Stühlen ist alles buchbar. Praktisch: Sogar Geschirr und nötiges Camping-Equipment sind bereits an Bord. Man braucht nur noch sein persönliches Reisegepäck und kann starten.
Standorte: elfmal in Deutschland (u.a. München, Hamburg, Frankfurt, Berlin) und zweimal in Frankreich
Preise: zwischen 75 und 120 Euro pro Nacht – je nach Fahrzeugklasse und Saison
Buchung und weitere Infos: roadsurfer.com
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